Eine detaillierte Analyse und Bewertung von Schlagschäden in Faserverbunden ist elementar für eine schadenstolerante Auslegung von Luftfahrtstrukturen. Derzeitige simulationsbasierte Bewertungen eignen sich zwar gut, bedienen sich jedoch konservativer Annahmen. Bisher verwendet man deterministische Berechnungsmethoden, um Impactschäden numerisch zu berechnen. Konservative Sicherheitsfaktoren decken dabei mögliche Streuungen infolge von Unsicherheiten ab. Ein neuer stochastischer, KI-basierter Simulationsansatz bietet die Möglichkeit, Streuschäden infolge von Fertigungsimperfektionen zu berechnen und somit Unsicherheiten besser in den Griff zu bekommen. Damit lassen sich konservative Sicherheitsfaktoren in der Auslegung zukünftig reduzieren und bisher ungenutzte Leichtbaupotenziale erschließen.
Schlagbeanspruchungen mit einer hohen Masse und geringer Geschwindigkeit (sog. low-velocity impacts) können kaum sichtbare Schäden in einer Faserverbundstruktur verursachen. Solche Schäden sind besonders kritisch, da sie unbemerkt in der Struktur wachsen und zum vorzeitigen Versagen der Struktur führen können. Aus diesem Grund sind eine Analyse und eine simulationsbasierte Bewertung dieser Schlagschäden unerlässlich.
Ein Impact – viele mögliche Schadensresultate
Eine Herausforderung bei der Simulation von Schlagschäden ist der komplexe Schädigungsprozess, der auf einer Verkettung und Interaktion unterschiedlicher Schadensmodi wie Delaminationen, Faserbrüchen und Matrixbrüchen beruht. Kleine Material- und Fertigungsimperfektionen beeinflussen den stark nichtlinearen Schädigungsprozess sensitiv. Im Endergebnis kann dies zu qualitativ und quantitativ unterschiedlichen Schadensresultaten führen. Trotz gleicher Versuchsbedingungen und Entnahme der Versuchsproben aus gleichen Fertigungschargen lassen sich die Streuschäden in diversen Impactversuchsreihen beobachten. Ein Vergleich der Versuchsproben zeigt Delaminationen unterschiedlicher Form und Größe sowie unterschiedlich stark ausgeprägte Faser- und Matrixbrüche. Auch in den residualen Materialeigenschaften, wie den Zug- und Druckrestfestigkeiten sowie dem Schadenswachstumsverhalten, lassen sich Unterschiede feststellen.
Deterministisch, chaotisch oder doch stochastisch?
Man könnte meinen, dass der nichtlineare, sensitive Schädigungsprozess aufgrund der zufallsverteilten Imperfektionen einem chaotischen System gleicht; wie bei einem Anstoß im Billard bewirken kleinste Unterschiede der Anfangsbedingungen unterschiedliche Endresultate. Ein so extremer Einfluss kleiner Imperfektionen erscheint jedoch unplausibel, da die Schädigung bruchmechanischen Grundsätzen und Gleichungen unterliegt und damit durch gewisse Leitplanken eingeschränkt ist. Zum einen erfolgt die Schadensinitiierung an bestimmten Stellen im Laminat, zum anderen kann auch die Schadensausbreitung nicht beliebig verlaufen. Der Schädigungsprozess lässt sich daher gedanklich mit einem Fallbrett vergleichen, bei dem eine Scheibe von oben eingeworfen wird und Endresultate unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit möglich sind. Je nachdem, wie die Hindernisse im Fallbrett – also zufallsverteilten Imperfektionen – im Material verteilt sind, ergeben sich Pfade – also Schäden unterschiedlicher Auftrittswahrscheinlichkeit.
Die neue Methode
Der Grundgedanke des neuen Ansatzes ist es, weg von der deterministischen Berechnung mit konservativen Auslegungsfaktoren hin zu einer präziseren, probabilistischen Simulation zu gelangen. Bisher werden einzelne Impactschäden berechnet und Unsicherheiten durch Sicherheitsfaktoren berücksichtigt. Dieser Ansatz ist zwar praktikabel, jedoch bleiben Leichtbaupotenziale dabei ungenutzt. Genau hier setzt der neue stochastische Ansatz an. Durch geeignete probabilistische Materialparameterstreuung werden Unsicherheiten infolge von Fertigungsimperfektionen berücksichtigt. Das einfache stochastische Streukonzept und die Verwendung von KI-Methoden sorgen für eine gute Anwendbarkeit und Performance der Berechnungsmethode.