Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt ein solarbetriebenes Höhenplattform-Flugzeug, das mehrere Tage bis Wochen autonom in etwa 20 Kilometern Höhe fliegen kann. Solche Höhenplattformen (engl. High Altitude Pseudo Satellites, HAPS) schließen die Lücke zwischen Flugzeugen und Satelliten. Sie ermöglichen eine kontinuierliche Beobachtung eines festen Einsatzgebiets und eignen sich für Anwendungen wie Erdbeobachtung, Klimaforschung, Gletschervermessung oder Katastrophenschutz.
Die komplette lasttragende Struktur – bestehend aus Flügel, Rumpf und Leitwerk – entsteht in unserem Institut in Zusammenarbeit mit dem Systemhaus Technik Nord. Ein zentraler Meilenstein ist der großmaßstäbliche (full-scale) Belastungstest des Gesamtflügels, der am DLR-Standort in Stade im Sommer 2023 stattgefunden hat.
Effizienter Leichtbau als Voraussetzung für Höhenflüge
Die größte Herausforderung bei der Realisierung dieser Höhenplattform liegt im extremen Leichtbau. Um über mehrere Tage hinweg autonom fliegen zu können, muss das Flugzeug seine Energie, sowohl für den Antrieb als auch für die Nutzlast, tagsüber mittels Solarzellen gewinnen und für die Nacht in Batterien speichern. Das setzt eine äußerst geringe Masse voraus: Das vollständige Flugzeug, inklusive Energie- und Nutzlastsysteme, darf 136 Kilogramm nicht überschreiten – bei einer Spannweite von 27 Metern, vergleichbar mit der eines Mittelstreckenjets vom Typ Airbus A320.
Zum Vergleich: Die Masse eines einzelnen Hauptfahrwerksrads eines A320 – inklusive Reifen und Felge – liegt ebenfalls bei ca. 140 Kilogramm. Um diese Anforderung bei gleichzeitig ausreichender Festigkeit zu erreichen, besteht die Struktur nahezu vollständig aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Ein gewickelter CFK-Rundholm trägt den Flügel, den zahlreiche Sandwichbauteile, wie CFK-Rippen, verstärken. Die Außenhaut besteht aus einer nur 25 Mikrometer dünnen Kunststofffolie, auf der die Solarzellen aufgeklebt sind.
Prüfung der Struktur unter realitätsnahen Bedingungen
In Vorbereitung auf das Critical Design Review – einen wichtigen Entwicklungsschritt – erfolgt ein statischer Belastungstest des vollständigen Flügels. Ziel ist es, die Auslegung durch praktische Messungen zu überprüfen und die Belastbarkeit der Komponenten nachzuweisen. Dazu hängt der Flügel kopfüber an seinem späteren Anschlusspunkt am Rumpf – exakt so, wie er später im Flugzeug eingebaut sein wird. Individuell platzierte Gewichte an den Rippenpositionen simulieren die Auftriebskräfte, die im Flug wirken. So lässt sich der Querkraftverlauf über die Flügellänge besonders präzise nachbilden.
Das Testverfahren folgt dabei stets dem gleichen Ablauf: Die zuvor am Boden angebrachten Gewichte verbleiben in den jeweiligen Positionen, während ein Hubsystem den gesamten Flügel anhebt. Nach dem Anheben muss die Struktur kurz ausschwingen; dann erfolgt die präzise Erfassung der globalen Verformung, d.h. die Durchbiegung an verschiedenen Holm- wie auch Hinterkanten-Positionen.
Für die Messungen sind insgesamt 20 Reflektoren entlang der Struktur angebracht. Per Lasertriangulation werden sie optisch vermessen. Zusätzlich befinden sich 56 Dehnungsmessstreifen (DMS) an verschiedenen Positionen, sowohl in Spannweitenrichtung als auch am Umfang eines Holmquerschnittes.
Insgesamt gibt es fünf unterschiedliche Testszenarien: Dazu gehören mehrere Tests zur Bestimmung der Biegesteifigkeit, ein spezieller Test zur Torsionsbelastung sowie ein kombinierter Lastfall aus Biegung und Torsion, der als kritischsten Fall drei aufsteigende Belastungsstufen berücksichtigt. Diese Tests decken somit die kritischsten Belastungen im späteren Flug ab.
Alle Tests verlaufen wie geplant. Im letzten Test – der höchsten Belastungsstufe – versagt der Flügelholm symmetrisch durch Stabilitätsverlust. Der Bruch tritt dabei kurz vor Erreichen der sogenannten „Ultimate Load“ auf, also genau an dem Punkt, den das rechnerische Strukturmodell als Grenzlast vorhergesagt hat.
Mit dem erfolgreichen Abschluss der Testkampagne ist nicht nur das Hauptelement des Flügels – der CFK-Rundholm – validiert, sondern auch alle weiteren strukturellen Elemente. Dazu zählen unter anderem die Vorder- und Hinterkanten, zahlreiche Sandwichrippen und weitere Sekundärbauteile. Die durchgängige Übereinstimmung zwischen Simulation und realem Verhalten bildet eine solide Grundlage für die weitere Flugzeugentwicklung.
Ausblick: Vom Bodentest zum Höhenflug
Die Erkenntnisse aus dem Belastungstest fließen direkt in die Weiterentwicklung der Struktur ein. Die Beobachtungen liefern die Basis, um das Stabilitätskriterium in der finalen Auslegung zu feinjustieren. Der erfolgreiche Test bildet damit die Grundlage für die nächste Projektphase.
Das Projekt HAP-alpha ist vollständig durch interne DLR-Mittel finanziert und bündelt die Expertise von insgesamt 17 DLR-Instituten. Sie alle arbeiten gemeinsam an der Entwicklung des Flugzeugs, der Energieversorgung, den wissenschaftlichen Nutzlasten und dem Betriebskonzept. Ziel ist es, das System nicht nur am Boden zu validieren, sondern es auch unter realen Bedingungen in großer Höhe zu erproben – ein vollständiger Entwicklungsprozess vom Design über die Fertigung bis hin zum Flugtest.