Windkraftanlagen spielen für eine nachhaltige Energieversorgung in Deutschland eine entscheidende Rolle. Zwei Forschungsanlagen mit insgesamt sechs hochinstrumentierten Rotorblättern sind im Rahmen des Projekts DFWind2 für den DLR Forschungswindpark WiValdi in Krummendeich gefertigt und ausgestattet worden. Ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung von Windenergieanlagen ist die Prüfung der Rotorblätter, die das Herzstück dieser Anlagen bilden. Um die Sicherheit und Effizienz dieser Blätter zu gewährleisten, werden sie auf ihre Biege- und Torsionseigenschaften getestet. Ein solches Experiment ist kürzlich von einem Team von Forschenden des DLR, der Universität Oldenburg und dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme durchgeführt worden. Forschende werten die Sensordaten im Dauerbetrieb aus und suchen dabei nach weiteren Optimierungspotenzialen für zukünftige Anlagen.
Labore sind nicht immer klein
Die sechs knapp 58 Meter langen und 16 Tonnen schweren Windrotorblätter sind hochinstrumentiert. Die integrierten Sensoren sollen zukünftig das Anlagenverhalten und die Interaktion zwischen den Anlagen vermessen. Ein gutes Verständnis über das Rotorblattverhalten ist dabei entscheidend für die korrekte Interpretation der Sensordaten. Daher ist das erste der sechs Windrotorblätter im Vorfeld nach Vorgaben des DLR am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme getestet worden. Dazu wird das Blatt an einen massiven Prüfblock geschraubt und mit Seilen an einen Hydraulikzylinder angeschlossen. Außerdem sind an vordefinierten Radien entlang der Längsachse des Blattes insgesamt fünf Lastscheren befestigt, welche jeweils für die Dauer eines Tests mit dem Hydraulikzylinder verbunden werden. Das Spannen des Seils führt so zu einer punktuellen Belastung auf das Windrotorblatt in Richtung des Hallenbodens. Der Versuchsaufbau greift dabei auf Erfahrungen eines im Projekt Smartblades 2 am DLR gebauten 20 m Rotorblatts zurück.
An jeder Lastschere des Blattes ist ein vordefiniertes Be- und Entlastungsprofil mit mehreren Haltestufen bis zur Maximalkraft untersucht worden. Nach Abschluss eines Tests wird das Rotorblatt vom Prüfblock gelöst und um 90° gedreht, um sukzessive alle Hauptrichtungen und abschließend auch das Torsionsverhalten zu bestimmen.
Zwischen Hydraulikzylinder und Lastschere montierte Seilzugsensoren messen die Durchbiegung des Blattes, während alle auf das Rotorblatt wirkenden Kräfte bekannt sind. Auf diese Weise ist das statische Biegeverhalten vollständig experimentell ermittelbar. Zusätzlich zeichnen die integrierten Sensoren im Inneren des Blattes die resultierenden Dehnungen in den Hauptachsen auf. Lokale Messergebnisse von ausgewählten Bereichen der Struktur sind anschließend mit den Erwartungswerten aus Simulationsmodellen verglichen worden.
Perspektivische Verwertung der Daten
Die erhobenen Sensordaten erlauben Rückschlüsse auf das Verformungsverhalten des Windrotorblattes im späteren Dauerbetrieb. Ein mit den Daten kalibrierter Algorithmus ist in der Lage, in Echtzeit die tatsächlich anliegende Belastung zu ermitteln. Die unter Laborbedingungen ermittelten Kennwerte dienen dabei als Referenz, um die im Betrieb auftretenden Spitzen- und Dauerlasten strukturmechanisch zu überwachen und zu bewerten. Dies erlaubt exaktere Vorhersagen über die Lebensdauer von Windrotorblättern, was die Entwicklung zukünftiger Rotorblätter hinsichtlich Sicherheit, Gewicht, Effizienz und Kosten optimieren kann.