Draußen sinken die Temperaturen, der Winter kommt. Daher ist die Frage, ob Eis und Schnee vor der Haustür sind, eine durchaus relevante für die Wahl der Kleidung und die Aufmerksamkeit nach Glätte. Zu Hause lässt sich das noch durch einen Blick aus dem Fenster recht einfach klären. Doch nicht nur vor der Haustür kann Eisesglätte dramatische Auswirkungen haben. Auch bei Flugzeugen wirkt sich Vereisung an den Flügeln negativ auf die Flugleistung aus.
Wozu Eissensorik?
Während der Blick aus dem Fenster zu Hause ausreicht, um Eis und Schnee zu sehen, ist die frühzeitige Detektion von Vereisung, die bei starker Intensität in kurzer Zeit bis zum Absturz führen kann, wesentlich bedeutsamer. Tatsächlich gibt es für diese Anwendung bis heute keine Sensorik im Flugzeug. Hier wird das Vorhandensein von Vereisung insbesondere bei kleineren Flugzeugen durch einen Blick an den Flügel bzw. in die Ecken der Cockpitscheiben durch die Piloten festgestellt und das Eisschutzsystem aktiviert, falls Eis vorhanden ist. Bei Passagierjets erfolgt das Einschalten des Eisschutzsystems meist proaktiv, wenn Vereisungsbedingungen erwartet werden.
Ein Vereisungssensor hat das Potential, zwei wesentliche Aufgaben zu übernehmen: Erstens könnte so Vereisung an aerodynamischen Flächen ohne Zutun des Piloten sofort erkannt werden. Das beträfe auch Flächen, die nicht visuell für die Piloten sichtbar sind, wie z.B. das Leitwerk. Bei kleinen Flugzeugen verkürzt dies die Zeit bis zum Einschalten des Eisschutzsystems oder dem Verlassen des Vereisungsgebietes. Zweitens profitieren insbesondere große Flugzeuge dahingehend, dass das sehr energieintensive Eisschutzsystem nur aktiviert werden muss, wenn Eis vorhanden ist. Die proaktive Aktivierung fiele dadurch weg, wodurch Energie und somit Treibstoff eingespart werden können.
Im Rahmen des EU-finanzierten Projektes SENS4Ice wird am DLR ein Vereisungssensor auf Basis von Ultraschallwellen entwickelt. Im März 2021 wurde dieser bereits erfolgreich im Eiswindkanal vermessen.
Wie eine schwingende Gitarrensaite
Das Wirkprinzip des Sensors besteht darin, Ultraschallwellen mittels piezoelektrischer Aktoren durch die Bereiche der Haut des Flugzeugs zu senden, an denen das Vorhandensein von Eis detektiert werden soll. Lagert sich Eis an, so lässt sich dies anhand von Änderungen von Amplitude und der Laufzeit der Wellen vom Sender zum Empfänger erkennen. Das Prinzip ähnelt einer Gitarrensaite: Wird die Saite angeschlagen, erklingt ein charakteristischer Ton. Wird dagegen die Saite mit einem zusätzlichem Material umwickelt, d.h. es lagert sich Eis an, so wird sie schwerer. Die Geschwindigkeit der Welle auf der Saite und somit der der Ton und die Lautstärke ändern sich. Diese Veränderung lässt sich elektronisch auswerten.
Sensorentwicklung und Windkanalversuch
Da die Frequenzen, bei denen der Sensor arbeitet, bis in den Mittelwellenbereich über 500 kHz reichen, ist eine entsprechend leistungsfähige Sensorhardware erforderlich. Diese muss sowohl in der Lage sein, die Signale in ausreichender Qualität zu erzeugen und zu messen und gleichzeitig auch das Potential für die Integration in ein Flugzeug bieten. Kern des Systems ist eine Kombination aus einem Microcontroller und einem FPGA (Field Programmable Gate Array). Dieses FPGA ist in der Lage, auch komplexe Signale mit sehr hohen Frequenzen zu verarbeiten. Dieser Mikrocontroller wurde im Rahmen der Entwicklung zum Sensor mit einer zu Flugzeugen kompatiblen Spannungsversorgung, diversen Filtern und Verstärkern ausgestattet. Er ist in der Lage, Ultraschallwellen bis ca. 1 MHz zu erzeugen und zu messen. Mit einem Leistungsbedarf von lediglich 10W reicht dabei ein handelsübliches Smartphoneladegerät für den Betrieb des vollständigen Sensorsystems aus.
Bisheriger Höhepunkt des Projektes war der Versuch im Eiswindkanal am Institut für Strömungsmechanik an der TU Braunschweig, in dem Vereisungsbedingungen, wie sie im Flug auftreten, reproduziert werden können. Dort wurde ein Versuchsprofil, das mit drei Prüfstrecken für Ultraschallwellen ausgestattet war, bei verschiedenen Temperaturen und Wassergehalten in der im Windkanal untersucht. Ziel der Messungen war, das Vorhandensein von Eis durch den Sensor zu detektieren. Dabei stellte sich heraus, dass der Sensor bereits auf sehr dünne Eisschichten unterhalb eines Millimeters auf dem Flügelprofil bei allen gemessenen Temperaturen und Wassergehalten reagiert.
Auf dem Weg zum Flugversuch
Mit diesen aussichtsreichen Ergebnissen besteht der nächste Schritt darin, einen Flugversuch durchzuführen, um zu zeigen, dass der Sensor auch bei realen atmosphärischen Bedingungen die Anlagerung von Eis auf dem Profil detektieren kann. Dazu sind noch einige Anpassungen an der Sensorhardware erforderlich, um sie im Versuchsträger unterbringen zu können. Darüber hinaus sind die Ergebnisse zur Detektion des Eises, die im Windkanalversuch gewonnen wurden, in die Software des Sensorsystems zu implementieren.