Kryomikroskopie und Wasserstofftanks
Während die manuelle Untersuchung von Mikroskopaufnahmen von Proben aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) sehr zeitaufwändig ist, stellt die Anwendung eines geeigneten KI-Modells eine deutlich effizientere Alternative zur Analyse dieser Bilder dar. Dies ermöglicht nicht nur die Untersuchung einer größeren Anzahl unterschiedlicher Proben, sondern auch die Ableitung quantitativer, lokaler Probenmerkmale auf Basis der resultierenden Bildsegmentierung. Ein relevanter Anwendungsfall ist die Herstellung von Wasserstofftanks aus CFK. Durch wechselnde Füllstände mit flüssigem Wasserstoff mit einer Temperatur von etwa -253 °C ist das Material hier thermischen Zyklen ausgesetzt, die zu Mikrorissen im Epoxidharz führen können. Von besonderem Interesse ist dabei die Ermittlung von Zusammenhängen zwischen lokalen Probeneigenschaften, wie zum Beispiel dem geschätzten lokalen Faservolumengehalt, und der Wahrscheinlichkeit der Rissentstehung. Im Idealfall können aus den Ergebnissen empfohlene Anpassungen des Produktionsprozesses abgeleitet werden, die die Rissanfälligkeit in Zukunft reduzieren.
Semantische Segmentierung von Mikroskopaufnahmen
Die Grundidee besteht darin, ein KI-Modell zur semantischen Segmentierung auf den Mikroskopaufnahmen zu trainieren, sodass zukünftige Proben automatisch segmentiert werden können. Unter semantischer Segmentierung versteht man die Zuordnung jedes Pixels zu einer von mehreren vordefinierten Klassen, in diesem Fall zum Beispiel Faser, Epoxidharz oder Mikroriss. Um ein Modell aus dem Bereich des überwachten maschinellen Lernens zu trainieren, werden sowohl die Eingabedaten, hier die Bilder, als auch die zugehörigen Ausgabedaten, hier die Segmentierungsmasken, benötigt. Der erste Schritt bestand daher darin, die Bilder pixelweise zu labeln. Basierend auf 18 Mikroskopaufnahmen von drei CFK-Proben und jeweils sechs Phasen von Temperaturzyklen entstand so ein Datensatz von über 6.000 Bildern der Größe 512 x 512 Pixel. Das fertige, trainierte Modell klassifiziert auf einem Testdatensatz über 95 % der Pixel korrekt. Aufgrund der geringen Anzahl von Rissen in den vorliegenden Proben und der generellen Schwierigkeit, diese von visuell ähnlichen Klassen wie Verunreinigungen auf der Probenoberfläche zu unterscheiden, ist die Genauigkeit des Modells in Bezug auf die Rissklasse jedoch noch verbesserungswürdig, zum Beispiel durch Hinzunahme weiterer Trainingsdaten.
Die Erstellung des gelabelten Datensatzes ist aufwändig, kann aber in Zukunft als sehr hilfreiche Grundlage für weitere Forschungsarbeiten dienen. Eine Erweiterung des Datensatzes mit neuen Bildern sowie Anpassungen der definierten Klassen sind nun mit Hilfe des Datensatzes und des trainierten Segmentierungsmodells mit deutlich reduziertem Aufwand möglich. Auf Basis eines Datensatzes mit deutlich mehr Rissen kann in Zukunft auch ein Modell trainiert werden, das die Entstehung neuer und die Entwicklung bestehender Risse nach einer bestimmten Anzahl von Temperaturzyklen vorhersagt. Darauf aufbauend planen wir mit Methoden der Explainable Artificial Intelligence (XAI) lokale Probeneigenschaften zu ermitteln, die die Rissentstehung beeinflussen.