Ein neues Verfahren an einem bewährten Messgerät aus der Thermoanalyse bietet die Möglichkeit für eine schnelle Bewertung des Brandverhaltens verschiedener Materialien. Die kombinierte Thermogravimetrie-Differenzkalorimetrie (TGA-DSC) zeichnet mit geringem Probenaufwand und kurzer Messdauer charakteristische Kennwerte zur Bewertung der Brandeigenschaften auf. Diese sollen neben der schnellen Bewertung verschiedener Materialien auch als Eingangsgrößen für eine Brandsimulation dienen. Diese soll in einem ersten Schritt das Brandverhalten von Couponproben in aufwändigen Standardbrandprüfungen abbilden. Insbesondere in streng regulierten Bereichen, wie der Luftfahrt und im Schienenverkehr, bietet eine schnelle, belastbare Prüfung und Auslegung der Brandeigenschaften großes Potenzial.
Bauteilauslegung mit Feuerschutzkonzept ermöglichen
Der Brandprozess in einem Faserverbundkunststoff (FVK) ist aufgrund komplexer Zersetzungsreaktionen der organischen Bestandteile, anisotropen Wärmestromverhaltens und des Massenstroms der flüchtigen Bestandteile nur schwer vorherzusagen. Eine Methode zur frühzeitigen Bewertung eines Bauteils hinsichtlich der Brandeigenschaften aus einfach ermittelten Materialkennwerten ist derzeit nicht verfügbar.
Die von der US-amerikanischen Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) festgelegten Standardbrandprüfungen sind gut geeignet, um verschiedene Werkstoffe hinsichtlich ihrer Brandeigenschaften zu vergleichen, stellen aber jeweils nur ganz spezielle Brandszenarien dar. Der Brandprozess ist so vielschichtig und ungenau aus den Ergebnissen vorherzusagen, dass komplexere Strukturen aus neuartigen Leichtbaumaterialien z. B. in ausgewiesenen Brandabschnitten eine Brandprüfung nach ISO 2685 bestehen müssen, die dem zu erwartenden Brandszenario entspricht, um im Luftfahrtbereich eingesetzt werden zu können. Scheitert das Bauteil, startet der Entwicklungsprozess erneut beim Design.
Eine Simulation bietet den großen Vorteil, auf der Basis von einfachen Materialparametern, wie thermischen Eigenschaften, Zersetzungsverhalten unter Stickstoff und dem Verbrennungsverhalten auf Materialebene, das Brandverhalten von komplexen Bauteilen abzubilden. Die wechselseitige Nutzung von Brandsimulation und Kenntnissen zum Brandverhalten von Werkstoffen auf kleinster Materialebene soll eine realistische Vorhersage verschiedener Brandszenarios ermöglichen.
Von den Messkurven zur Bewertung
Die beim DLR entwickelte Methode bildet hierbei im kleinen Maßstab den Brandprozess in der Ofenkammer der TGA-DSC-Kombination zur Erlangung materialspezifischer Kennwerte ab. Die ermittelten Charakteristika dienen als Eingangsgrößen für eine Brandsimulation, die im Rahmen des EU-Projekts SuCoHS vom Projektpartner AERNNOVA entwickelt wurde. Eine umfangreiche Studie stellte optimale Parameter für die Zersetzungskinetik von Faserverbundwerkstoffen hinsichtlich des Temperaturprogramms, Probenmasse und Spülgasstromzusammensetzung bereit.
Neben dem Massenabbau wird auch der gemessene Wärmestrom bei der Verbrennung in einstellbarer Atmosphäre als Bewertungskriterium für die Brandeigenschaften herangezogen. Die Messkurven des Wärmestromverlaufs und des Massenverlusts, aus dem sich die Massenverlustrate ableitet, weisen charakteristische Merkmale auf. Dazu gehören z. B. die Verbrennungsenthalpien verschiedener Abbaustufen der einzelnen Bestandteile des Faserverbundkunststoffs und die Entzündungstemperatur. Des Weiteren ermöglichen die Kurven eine qualitative Bewertung der Auswirkung von Flammschutzadditiven.
Vorteilhaft ist, dass TGA-DSC-Geräte mit FTIR-Systemen (Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie) gekoppelt werden können, die eine gleichzeitige Analyse der gasförmigen Reaktionsprodukte z. B. hinsichtlich ihrer Toxizität ermöglichen und sich direkt der Abbaustufe zuordnen lassen.
So lassen sich mit nur geringem Fertigungs- und Kostenaufwand verschiedenste Materialvariationen hinsichtlich ihres Potenzials zur Verringerung der Brandgefährdung vergleichen.