Windenergieanlagen stellen einen der Grundpfeiler der Klimaneutralität dar, können jedoch aufgrund der prinzipbedingten Schallabstrahlung nur mit entspechendem Mindestabstand zu bewohnten Gebieten errichtet werden. Neben den aeroakustischen Geräuschen an den Blättern entsteht Schall aus Schwingungen am Generator der Anlage. Diese Schwingungen werden anschließend über den Antriebsstrang auf die Gondel und
die Rotorblätter übertragen. Von dort aus können sie zu einer wahrnehmbaren Schallabstrahlung führen. Ursache der Schwingungen am Generator sind Wechselkräfte in Folge unterschiedliche Magnetfelder im Luftspalt. Diese lassen sich z.B. auch im Kleinen an einem Fahrraddynamo erfühlen.
Wenn es gelänge, diese Schwingungen möglichst an der Quelle zu reduzieren, könnte dies die Akzeptanz von Windenergieanlagen in der Bevölkerung deutlich verbessern und die Erschließung weiterer Standorte für die Klimaneutralität ermöglichen.
Mit verstellbaren Tilgern gegen den Schall
Da sich die schwingungserregenden Rastmomente im Generator prinzipbedingt nicht vermeiden lassen, muss eine andere Lösung für diese Herausforderung gefunden werden. Schwingungsreduzierende Maßnahmen direkt am Generator stellen daher eine aussichtsreiche Möglichkeit dar, den abgestrahlten Schall verringern. Eine Analyse des Schalls lieferte die Erkenntnis, dass die Frequenz, bei der der Schall auftritt, ein Vielfaches der Rotordrehfrequenz ist. Eine einfache und effektive Möglichkeit, eine solche Schwingung zu reduzieren, stellen Schwingungstilger dar. Dabei handelt es sich um zusätzliche schwingungsfähige FederMasse-Systeme, deren Wirkung darin besteht, die Schwingung aus der zu beruhigenden Grundstruktur in sich selbst zu verlegen, wo die Schwingung erstens nicht stört und zweitens
die Schwingungsenergie in Wärme dissipiert werden kann. Der wesentliche Nachteil der Tilger besteht jedoch darin, dass sie in ihrer grundlegenden Form nur auf eine feste Frequenz abgestimmt werden können. Für Windenergieanlagen sind Tilger mit konstanter Frequenz nicht nutzbar, da sich die Frequenz der Schwingungen, die es zu beruhigen gilt, mit der Rotordrehzahl und somit mit dem Wind ändert.Hier setzt die Forschung des Instituts an: Frequenzvariable Tilger, bei denen sich die Tilgerfrequenz nachführen lässt, können den genannten Nachteil überwinden und somit auch zur Beruhigung der Schwingungen in der Windenergieanlage genutzt werden. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekts DampedWEA wurden daraufhin ein frequenzvariabler Schwingungstilger entworfen, gebaut und an einem realen Generator einer Windenergieanlage beim Industriepartner vermessen.
Der Frequenz nachlaufen
Bei der Übertragung des Tilgerkonzeptes auf die Windenergieanlage entstehen zwei Herausforderungen: Erstens ist die Tilgerfrequenz der variablen Betriebsdrehzahl nachzuführen. Zweitens treten die Schwingungen in zwei verschiedenen Raumrichtungen auf: In Drehrichtung des Rotors und senkrecht zur Drehachse nach außen. Gesucht wird daher ein Tilgeraufbau, der in zwei Raumrichtungen wirken kann und dessen Wirkungsfrequenz angepasst werden kann. Dazu wurden eine Reihe von Konzepten für die Frequenznachführung bei gleichzeitiger Wirkung in zwei Richtungen erdacht und simulativ bewertet. Eine auf einem federnden Balken verschiebbar gelagerte Masse erwies sich dabei als das passende Konzept in Bezug auf die erreichbaren Frequenzen und den Fertigungsaufwand. Die Position der Masse auf dem Balken bestimmt in diesem Konzept die Schwingungs- und damit Arbeitsfrequenz des Tilgers: Je weiter sie zur Balkenspitze wandert, desto langsamer schwingt der Tilger, also umso niedriger ist die Frequenz. Dies ist ähnlich zu einem Fadenpendel, dessen Frequenz kleiner wird, wenn die Länge des Fadens erhöht wird. Der rechteckige Balkenquerschnitt erlaubt zudem, unterschiedliche Frequenzen in den beschriebenen Richtungen zu bedämpfen, wobei die Eigenfrequenzen in beiden Richtungen mit dem Verschieben der Masse gleichzeitig verändert werden. Die Änderungen der Frequenzen sind dabei konstruktiv so zu gestalten, dass sie zu den Erfordernissen des Generators passen.
Vom Prototyp zum Teststand
Basierend auf dem geschilderten Prinzip wurde ein Tilgersystem ausgelegt und ein Prototyp gebaut. Von herausragender Bedeutung ist hierbei die Lagerung der Masse auf dem federnden Balken. Diese muss zwei auf den ersten Blick unvereinbare Charakteristiken erfüllen: Zum einen soll sie möglichst steif sein, damit die Masse spielfrei auf dem Balken bewegt werden kann und so die notwendige Eigenfrequenz des Tilgers erreicht wird. Zum anderen muss sie in Verstellrichtung nachgiebig sein, damit die Masse auf dem Balken verschiebbar ist. Gelöst wurde dieser Widerspruch, indem die Masse durch vorgespannte Stützrollenlager auf dem Balken gelagert wird. Somit ist die für das Erreichen der zu bedämpfenden Frequenz erforderliche Steifigkeit senkrecht zum Balken gewährleistet. Gleichzeitig erlaubt die Wälzlagerung geringe Verstellkräfte trotz starker Vorspannung der Lagerung,
wodurch die Verstellung mit einem kleinen Elektromotor bewerkstelligt werden kann. Eingestellt wird der Tilger im Anschluss mittels eines Computers, der die Drehzahl des Rotors sowie die Bewegungen am Ende des Federbalkens auswertet und daraufhin den Motor ansteuert.
Die linke Abbildung zeigt den Prototypen des Tilgers. Die entlang des Balkens (blau) bewegliche Masse (gelb) befindet sich im Zentrum auf dem Balken. Mit dem Tilgerfuß (links, grün) wird der Tilger am Generator befestigt. Gleichzeitig ist dort der Antrieb (grau) angebracht. Nicht dargestellt ist der Antrieb mittels Zahnriemen, mit dem die Masse elektrisch automatisch verstellt werden kann
.
Mit diesem Aufbau erfolgte zunächst die Laborvermessung des Tilgers. Dabei konnte gezeigt werden, dass sich dessen Eigenfrequenz und somit auch die Frequenz, die der Tilger am Generator bedämpfen kann, in einem weiten Bereich verändern lässt. Für den oben gezeigten Prototypen konnte die Eigenfrequenz in der einen Richtung um mehr als einen Faktor zwei verändert werden. Damit lässt sich ein weiter Drehzahlbereich der Anlage abdecken. Für einen Komponentenversuch am Generatorprüfstand des Industriepartners wurden noch weitere Tilger gefertigt, da ein Tilger allein an einem so großen Bauteil, wie dem Generator einer Windenergieanlage, nicht ausreicht. Bei diesem Komponentenversuch konnte mittels 12 Tilgern gezeigt werden, dass sich das Schwingungsniveau bei der relevanten Zielfrequenz um bis zu 70 % senken lässt. Dazu war erforderlich, die Tilger mittels eines Computers und Sensoren auf der Spitze des Tilgers individuell auf die Zielfrequenz einzustellen.
Ausblick
Im Rahmen der Untersuchungen in DampedWEA wurde ein in zwei Richtungen wirkender frequenzvariabler Tilger entworfen, gebaut und sowohl im Labor, als auch an einem echten Generator einer Windenergieanlage vermessen. Es konnte dabei gezeigt werden, dass sich das Schwingungslevel reduzieren lässt und ebenso, dass die Verstellung des Tilgers eine Anpassung auf verschiedene Rotordrehzahlen ermöglicht. Für die zukünftige Anwendung der Technologie ist nun im Anschluss die Anpassung des Tilgers auf eine Anwendung in der Serie notwendig, so dass die Tilger in größerer Stückzahl kostengünstig herstellbar sind.