Die Luftfahrt stellt an Werkstoffe und Fertigungsverfahren von Flugzeugen der nächsten Generation hohe Ansprüche. Sie müssen leicht, stabil, ressourcenschonend und hochratenfähig sein. Ein Werkstoff von besonderem Interesse sind die faserverstärkten Hochtemperaturthermoplaste. Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigen sich mit dem Konsolidierungsprozess von Thermoplasten im Autoklav. Im Fokus der Arbeiten stehen nachhaltige Hilfsstoffkonzepte: Die verwendeten Materialien sind in diesem Hochtemperaturbereich sehr teuer und nicht wiederverwendbar. Das Ziel der entwickelten Konzepte ist ein Beitrag zur effizienten, wettbewerbsfähigen und ressourcenschonenden Serienproduktion von thermoplastischen Großbauteilen.
Am Temperaturlimit
Thermoplastische Polymere zeichnen sich dadurch aus, dass bei Erwärmung ihre kristalline Struktur aufgebrochen wird. Bei einer Abkühlung bewegen sich die Molekülketten immer weniger und beginnen sich regelmäßig anzuordnen, was man als Kristallisation bezeichnet. Die Kristallisation hat Einfluss auf die optischen, mechanischen, thermischen und chemischen Eigenschaften des Polymers. Wird ein Bauteil aus thermoplastischem Polymer im Autoklav konsolidiert, wird bei Drücken von bis zu 11 bar und Temperaturen von bis zu 420°C der oben beschriebene Prozess durchfahren mit dem Ziel, die notwendigen Bauteileigenschaften einzustellen. Die Bauteile sind bei diesem Konsolidierungsprozess mit einem luftdichten Hilfsstoffaufbau abgedichtet. Das erzeugt einen Unterdruck, die Druckdifferenz zum Umgebungsdruck drückt auf das Bauteil und verdichtet es somit, was auch notwendig ist, um die gewünschte Bauteilqualität zu erreichen. Die hohen Temperaturen in Kombination mit einem Differenzdruck von bis zu 11 bar stellen große Anforderungen an die Hilfsstoffe. In Anbetracht des anvisierten Serieneinsatzes wird an einem Lösungsansatz für den Hilfsstoffaufbau bei der Fertigung von komplexen hochintegralen Thermoplaststrukturen gearbeitet.
Im Projekt InTGroH (Niedersachsen, Förderung durch die N-Bank) wurden Laminate mit unterschiedlichen Hilfsstoffaufbauten konsolidiert. Die untersuchten Porositäten und mechanischen Eigenschaften dieser Laminate dienen als Qualitätsindikatoren. Im EU-geförderten Projekt ICASUS liegt ein Schwerpunkt auf dem Probenprogramm für Zugscherfestigkeiten (engl. lap shear), wo u.a. die Längsnahtfügestellen eines thermoplastischen Rumpfes untersucht werden. Die im Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie (ZLP) Stade gefertigten Probekörper dienen weiterhin als Referenz für die Validierung des thermoplastischen Fügeprozesses von unterschiedlichen Schweißverfahren.
Autoklav im Fokus
Im Rahmen der oben genannten Projekte forscht das ZLP in Stade an Herausforderungen, die mit dem Einsatz von thermoplastischen Verbundwerkstoffen verbunden sind und greift dabei auf vorhandene Infrastrukturen wie den Forschungsautoklav zurück. Das Ergebnis sind Konzepte für den Konsolidierungsprozess samt nachhaltigem Hilfsaufbau. Hierbei werden nicht nur die Bauteilqualität und der Ressourcenverbrauch an Hilfsstoffen mit dem Heißpressprozess verglichen, sondern auch untersucht, wie der Aufheiz- und der Abkühlvorgang effizienter gestaltet werden können. In Zukunft sollen simulationsgestützte Applikationen, die reale Objekte in der digitalen Welt darstellen können, sogenannte digitale Anlagenzwillinge wie der virtuelle Autoklav, eingesetzt werden. Das Ziel hierbei ist, die ressourcenintensiven Vorversuche auf dem virtuellen Autoklaven zu prozessieren. Ein Vorgang, der heute beim Einsatz von duroplastischen Polymeren eingesetzt wird.