Umweltfreundlicher, nachhaltiger, ressourcenschonender – diese Ziele gelten mehr denn je auch für die Zivilluftfahrt. Stellschrauben gibt es viele. Eine davon betrifft die Strömung an den Flügeln. Während sie bei heutigen Flugzeugen weitgehend turbulent ist, soll sie zukünftig möglichst glatt und wirbelfrei über weite Strecken an der Profilkontur anliegen. Mit anderen Worten: Die Grenzschicht soll weitgehend laminar sein. Das verringert den Widerstand, spart Kraftstoff und reduziert Emissionen. Die große Herausforderung bei der Laminarhaltung der Grenzschicht: Es sind nur minimale Oberflächenstörungen erlaubt. Das macht die Fertigung extrem aufwändig und teuer, denn ein Flügel besteht aus vielen Einzelteilen mit Stufen, Spalten oder Welligkeiten. Damit die Strömung nicht schon an der Trennstelle zwischen Flügelvorderkante und Flügelbox von laminarer zu turbulenter Grenzschicht umschlägt, hat das DLR eine Trennstellenabdeckung entwickelt, welche alle aerodynamischen und fertigungstechnischen Anforderungen erfüllt.
Um Haaresbreite?
Dabei geht es nur um ein paar Haaresbreiten, genau genommen um höchstens 0,1 mm. Das ist der maximal zulässige Höhenunterschied an einer sogenannten nach hinten gerichteten, d. h. nach innen abgesetzten Stufe, in Strömungsrichtung gesehen. Die Stufenhöhe darf sich auch bei Temperaturschwankungen oder infolge von Erosion nicht verändern. Eine Füllung der Spalten oder Stufen mit Spachtelmasse ist daher nicht möglich. Erosion ist wiederum der Grund, weshalb nach vorn gerichtete, d. h. in Strömungsrichtung nach außen abgesetzte Stufen in der Luftfahrt nicht möglich sind, denn im Betrieb zeigt sich dabei die sogenannte Paint Line Erosion mit Zerstörungen im Lack. Das Institut hat deshalb ein Abdeckkonzept für Trennstellen entwickelt. Es deckt Stufen, Spalten und Schraubenköpfe ab und gewährleistet so die für eine laminare Strömung vollständig glatte Oberfläche. Bei der Abdeckung handelt es sich um ein definiert vorgekrümmtes verklebtes Blech, das dadurch vorgespannt auf der nicht befestigten Seite des Flügels aufliegt. Somit kann sich das Blech bei Flügelverformungen oder Temperaturänderungen leicht verschieben und bleibt frei von Wellen.
Eine vorgefräste Stufe an der Flügelvorderkante nimmt das Abdeckblech auf, so dass es vor Erosion geschützt ist. Das verwendete Abdeckblech ist dünner als die aerodynamische Anforderung an eine nach hinten gerichtete Stufe. So ist jederzeit sichergestellt, dass die Grenzschicht nicht umschlagen kann. Laminares Fliegen ist damit überhaupt möglich!
Zukunft Laminarflügel
Laminarflügel lassen sich ohne laminarhaltende Trennstellen nicht verwirklichen. Um die Machbarkeit des Abdeckkonzepts zu überprüfen, hat das Institut im EU Projekt Clean Sky – HLFC on HTP (Hybrid Laminar Flow Control on Horizontal Tail Plane) einen Demonstrator erstellt. Dieser zeigt, dass das Konzept auch mit Multimaterialbauweisen umgehen kann, die sich bei Temperaturänderung, ähnlich dem Bimetalleffekt, stark verformen. Neben dem erfolgreichen Fertigungskonzept zeigt der Demonstrator weitere positive Effekte. Fertigungstoleranzen sind problemlos auszugleichen. Das Abdeckblech lässt sich sehr schnell und preiswert austauschen. Das Toleranzmanagement ist reproduzierbar. Die Schraubenköpfe sind bei einem Strukturaustausch schnell zugänglich. In einer kostengünstigen Hochratenfertigung bietet dieses Konzept eine effektive und effiziente Lösung für die Laminarhaltung der Grenzschicht an Trennstellen zukünftiger Laminarflügel.