Eine große Hürde beim Raumtransport ist der begrenzte Platz an Bord der Rakete. Das ist das Nadelöhr, durch das alles hindurchmuss, was in den Orbit fliegen soll – idealerweise in einem kleinen Paket. Zur Stromversorgung der Satelliten bedarf es dagegen immer großflächigerer Strukturen für die Solarpanels, um den steigenden Energiebedarf zu decken. Vom kleinen Paket zur großen Fläche – das geht nur mit kompakten faltbaren Strukturen, sogenannten Deployables.
Heute etabliert sind feste Solarpanels. Um große Flächen zu erzielen, sind mehrere dieser Panels gelenkig miteinander verbunden und für den Raumtransport zu einem dicken Stapel gefaltet. Für zunehmend größere Flächen dieser Bauart ist jedoch der Raumtransport kaum noch sinnvoll möglich.
Unser Institut hat daher ein neuartiges Konzept entwickelt, das auf flexible, ultraleichte und kompakt aufrollbare Folien als Trägermaterial für die Solarzellen setzt. So lassen sich selbst sehr große Varianten platzsparend an Bord von kleineren Raketen in den Erdorbit transportieren. Das bis zu 8 m x 3 m große Panel besteht aus je zwei dünnen Folien mit aufgebrachter Photovoltaik. Ein dazwischen angeordneter und ebenfalls aufrollbarer Mast aus Kohlenstofffaserlaminat spannt die Folien auf. Der Test solch großer und ultraleichter Solarmodule ist dabei nur in der künstlichen Schwerelosigkeit eines Parabelflugs möglich. Bodengebundene Tests erfordern immer eine Schwerkraftkompensation, was insbesondere bei der Photovoltaikfolie nicht sinnvoll möglich ist. In den insgesamt 30 geflogenen Parabeln ließen sich das Solarmodul dreimal erfolgreich aus- und wieder einfahren und Messdaten zur Entfaltungsdynamik aufnehmen. Spätere Einsatzgebiete sind u. a. die Stromerzeugung für solarelektrische Raumfahrtantriebe und mobile Solarmodule zur Nutzung auf Mond und Mars.
Ausrollbare Solarmodule für Exploration und bemannte Raumfahrt
In den letzten Jahren sind die Rückkehr von Astronauten zum Mond und sogar der Flug zum Mars in den wissenschaftlichen und politischen Fokus der führenden Raumfahrtnationen und -organisationen gerückt. Noch in den 2020er Jahren wollen NASA, ESA, JAXA und CSA mit dem Lunar Gateway eine Station im Mondorbit installieren, die als Ausgangspunkt für bemannte Missionen zu beiden Himmelskörpern dienen soll. Diese ambitionierten Unternehmungen erfordern technologische Fortschritte nicht zuletzt im Bereich der Energieversorgung. Für den Transport großer Mengen an Fracht aus dem Erdorbit werden Raumfahrzeuge mit solarelektrischen Antrieben benötigt. Diese sind besonders effizient, erfordern aber große Solarmodule von 400 m² und mehr, um die benötigte elektrische Leistung von über 100 kW bereitstellen zu können. Für die Energieversorgung von bemannten und unbemannten Einrichtungen auf der Mondoberfläche werden ähnlich große Solarmodule benötigt, die sich zudem auch mobil einsetzten lassen sollen.
Auf diese Anwendungen richtet sich das neuartige Solarmodul. Es besteht aus je zwei dünnen, flexiblen Trägerfolien für die Photovoltaik und einem dazwischen angeordneten, ultraleichten Mast, der die Folien über an der Mastspitze angebrachte Querbalken aufspannt. Um das Solarmodul für den Raumtransport platzsparend verstauen und auch mit kleineren Raketen in den Orbit transportieren zu können, lässt sich das gesamte Modul kompakt zusammenrollen. Dazu besteht der Mast aus einem dünnwandigen, hochflexiblen Kohlenstofffaserverbundlaminat, so dass er sich flach drücken und mit der Photovoltaikfolie zusammen auf einem Wickelkern aufrollen lässt. Die Entfaltung erfolgt über einen auf den Wickelkern aufgeschobenen Mechanismus. Seine Antriebsmechanik kann über eine automatische Kupplung das Solarmodul anschließend auch wieder aufrollen. Dies erlaubt das Servicing bzw. den Austausch und bietet Schutz vor zu hohen Stoßlasten bei Docking-Manövern durch Wiedereinfahren.
Entfaltung in künstlicher Schwerelosigkeit
Die realistische Erprobung großer und ultraleichter Solarmodule für den Einsatz im Weltraum ist letztendlich nur in der künstlichen Schwerelosigkeit eines Parabelflugs möglich. Die Strukturen sind so leicht gebaut, dass sie unter der Schwerkraft kollabieren würden. Bei bodengebundenen Tests ist daher immer eine aufwendige Abstützung gegen die Schwerkraft erforderlich, was insbesondere bei der dünnen und großen Photovoltaikfläche kaum möglich ist. Dadurch lässt sich insbesondere die Dynamik der Entfaltung nicht beobachten, deren Kenntnis für den Nachweis einer sicheren Entfaltung im Orbit wichtig ist.
Das im Parabelflug zu erprobende Solarmodul besteht aus zwei baugleichen Flügeln, die sich in gegensätzliche Richtungen entfalten. Beide Flügel sind gemeinsam auf den im Zentrum liegenden Wickelkern aufgewickelt und lassen sich durch das Entfaltungsmodul abrollen. Alternativ ist auch nur ein Flügel mit doppelter Länge möglich. Für das Parabelflugexperiment sind die aus Kapton bestehenden Photovoltaikfolien dabei nicht mit Solarzellen bestückt, um Kosten und Komplexität niedrig zu halten. Allerdings musste das Solarmodul aufgrund des beschränkten Platzangebotes an Bord des Airbus A 310 ‚Zero-G‘ von 8 m x 3 m auf 4 m x 1,4 m Fläche verkleinert werden. Insgesamt ließ sich während der 30 geflogenen Parabeln, die jeweils etwa 20 Sekunden Schwerelosigkeit bieten, das Solarmodul drei Mal erfolgreich aus- und wieder einfahren. Dabei wurden über jeweils fünf Parabeln die Flügel voll aus- bzw. wieder eingerollt. Aufgezeichnet wurden die Daten des Antriebsmotors. Insgesamt vier Kameras haben die Entfaltung aus mehreren Blickwinkeln aufgenommen. Die Photovoltaikfolien, die Mastspitzen und die Querbalken, an denen die Folien angeschlagen sind, tragen kontraststarke Referenzmarkierungen, um anhand der Kamerabilder Rückschlüsse über die Entfaltungsdynamik zu erlauben und später lokale Bewegungsmuster nachvollziehen zu können.
In den Versuchen zeigte sich, dass trotz der teils durch Turbulenzen gestörten Schwerelosigkeit die Entfaltung und das Wiedereinfahren sehr kontrolliert und ohne nennenswerte Dynamik erfolgen und die Photovoltaikfolie sich durchgehend unter gleichmäßiger Spannung befindet. Mit dem im Parabelflug erbrachten Funktionsnachweis und der Demonstration der sicheren und kontrollierten Entfaltung in einer einsatznahen Umgebung ist ein wesentlicher Nachweis zur Tauglichkeit des neu entwickelten Solarmoduls erbracht.
Interessierte Industrie- und Forschungspartner sind herzlich eingeladen an der Weiterentwicklung dieses Konzepts im Rahmen von Kooperationen, Direktbeauftragungen oder Förderprojekten mitzuwirken. Bitte wenden Sie sich dazu sowie bei Fragen gern an Dr.-Ing. Martin Hillebrandt.