Die präzise Erfassung der Verwindung ist bei Windkraftrotorblättern mit Biege-Torsions-Kopplung besonders wichtig, da durch sie gezielt Blattlasten reduziert werden sollen. Wird die Blattstruktur durch einen kurzzeitig zu hohen Auftrieb (z.B. durch eine Windböe) übermäßig stark belastet, führt die resultierende Blattbiegung über die Kopplung zu einer Torsion die den Anstellwinkel reduziert und die Überhöhung im Auftrieb abmindert. Ist der Kopplungseffekt kleiner als in der Auslegung vorhergesagt, kann die gewünschte Reduktion nicht mehr garantiert werden und es besteht die Gefahr einer frühzeitigen Ermüdung der Blätter. Im Rahmen des Projektes SmartBlades 2.0 wird ein neuartiges Sensorkonzept zur Erfassung der Verwindung der Rotorblätter einer Windenergieanlage erprobt. Die gewonnenen Messdaten dienen der Validierung von Modellen, der Überprüfung der Auslegung und der Erforschung des Verhaltens biegetorsionsgekoppelter Rotorblätter unter realen Bedingungen.
Präzise Messung unter schwierigen Bedingungen
Die Erfassung von Einstellwinkeländerungen an der Spitze des Rotorblattes einer Windenergieanlage, die kleiner sind als 1°, stellt unter den rauen Betriebsbedingungen der Anlage eine große messtechnische Herausforderung dar. Die untersuchte Sensorik wurde ursprünglich für die Bestimmung des Einstellwinkels an der Spitze von Hubschrauberrotorblättern entwickelt und hat das Potential, auch die Messaufgabe im Windkraftrotorblatt zu lösen. Der Sensor besteht aus einem flexiblen Element, das eine Masse mit der Blattspitze verbindet. Dieses Element ist torsionsweich, aber steif gegenüber allen anderen Deformationen. Durch die Beschleunigung der trägen Masse entstehen Inertiallasten, die das flexible Element aufnimmt. Die Deformation des flexiblen Elements wird über Halbleiterdehnungsmessstreifen in eine elektrisch erfassbare Messgröße überführt.
Durch eine geschickte Wahl der Geometrie der Masse werden im Zentrifugalbeschleunigungsfeld des Rotors gezielt Propellermomente generiert. Dadurch werden auch statische Einstellwinkeländerungen für den entwickelten Drehbeschleunigungsaufnehmer erfassbar. Die Integration in das Rotorblatt und die Windenergieanlage konnten im Rahmen des Projektes erfolgreich demonstriert werden. Insbesondere der Blitzschutz der Anlage stellte zusätzliche Anforderungen. Um eine elektrisch leitfähige Verbindung zwischen Rotornabe und Blattspitze zu vermeiden, ist der Sensor sowohl mit einer faseroptischen Daten- als auch Energieübertragung realisiert.
Erprobung im Feldversuch
Die Erprobung der entwickelten Sensorik erfolgt gemeinsam mit dem Test der biegetorsionsgekoppelten Rotorblätter an einer Experimentalturbine im National Renewable Energy Laboratory (NREL) in Colorado, USA. Die Messkampagne ist ein gemeinsames Unterfangen der Partner des SmartBlades 2.0 Projektes (ForWind, GE Global Research, Henkel, Fraunhofer-IWES, Nordex, Senvion, SSB Wind Systems, Suzlon, Wobben Research and Development GmbH). In den hochinstrumentierten Versuchen werden neben den Messwerten der beschriebenen Sensoren Dehnmessstreifen zur Bestimmung der Blattbiege- und Torsionsmomente, aerodynamische Daten und optisch gemessene Blattverformungen aufgezeichnet. Die sich komplementär ergänzenden Messtechniken zur Bestimmung der Blattdeformation an verschiedenen radialen Positionen werden zur gegenseitigen Plausibilitätsprüfung der Messergebnisse genutzt. Perspektivisch ermöglicht die Sensorik auch einen gezielten Eingriff in die Anlagensteuerung, um auftretende Überlasten zu vermeiden und somit die prognostizierte Lebensdauer der Blätter zu gewährleisten. Dieser nächste Schritt zur Etablierung der erforschten Sensorik wäre ein möglicher Bestandteil nachfolgender Projekte.