Es war schon ein große Halle notwendig, um die jeweils 16,5 Meter langen, kreuzförmig angeordneten ultraleichten Masten zu entfalten: Erstmals testeten die Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) die aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, CFRP (Carbon fiber reinforced polymer), bestehenden Masten (Booms) im Flugzeughangar des DLR Braunschweig. In Kooperation mit der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA sollen so entfaltbare Satellitenstrukturen entwickelt werden, die kostengünstige Kleinsatelliten in Zukunft mit entfaltbaren, miniaturisierten Strukturen für Stromversorgung, Kommunikation und Antrieb leistungsfähiger machen. Bisher wurden nur verkleinerte Modelle der entfaltbaren Masten getestet – nun sind die Entwicklung des Entfaltungsmechanismus und die Herstellung der CFRP-Booms so weit fortgeschritten, dass die DLR-Wissenschaftler einen Entfaltungstest in Originalgröße erfolgreich durchführen konnten.
Die hier getestete Struktur ist dabei für ein Sonnensegel vorgesehen. Sonnensegel wandeln mit Hilfe von spiegelnden Membranen Sonnenlicht in Schub um und können als Antrieb für Satelliten genutzt werden. Die hier geplante Segelgröße von 500m² kann einen Schub von ca. 0,5 Gramm erzeugen. Auch wenn der Schub im Vergleich zu anderen Antrieben verhältnismäßig klein ist, liegt er aber ständig an. So sind die Sonnensegel ebenso in der Lage, bei den üblichen Missionszeiten zum Einsatz zu kommen. Noch größere Segel könnten sogar Mission ermöglichen, die so heute nicht möglich sind. Und das, ohne ein einziges Gramm Treibstoff zu verbrauchen – eine klare Zukunftstechnologie!
Kompakt, leicht und leistungsfähig
Durch die Miniaturisierung von Elektronikkomponenten und Sensorik können kleine Satelliten heute dieselben Aufgaben erfüllen, die früher nur mit weit größeren Raumfahrzeugen realisiert werden konnten. Die verfügbaren Strukturtechnologien konnten hingegen bisher noch nicht mit der Miniaturisierung mithalten: Bisherige Technologien sind für größere Systeme ausgelegt oder wurden nur für spezielle Programme entwickelt. Diese stoßen aber bei der gefragten Skalierung in Bezug auf Masse, Stauvolumen und Steifigkeitsanforderungen schnell an ihre Grenzen. Mit dem Kooperationsprojekt reagieren NASA und DLR auf zunehmende, geeignete entfaltbare Strukturen. Das DLR ist dabei vorrangig für die Entwicklung einer kompakt verstaubaren und entfaltbaren Struktur für flache Kommunikations- und Radarantennen sowie Solar-Arrays zuständig, während die NASA für die Entwicklung und Herstellung der CFK-Booms zuständig ist. Langfristiges Ziel der Kooperation ist eine Mission, bei der die entwickelten entfaltbaren Strukturen im Weltall getestet werden, um so die Funktionstüchtigkeit unter realistischen Bedingungen nachzuweisen.
Schritt für Schritt zum weltraumtauglichen System
Die Booms haben einen durch zwei omegaförmige Halbschalen geformten, geschlossenen Querschnitt. Aufgrund dieses besonderen Querschnitts weist der Boom hohe Biegefestigkeiten sowie eine hohe Torsionssteifigkeit auf. Dadurch kann er sehr hohe Lasten aufnehmen ohne zu knicken und erlaubt den Aufbau eines hocheffizienten „Rückgrats“ für das gespannte Sonnensegel. Beim Aufrollen auf einer Spindel werden die beiden Halbschalen zusammengedrückt, so dass der Boom flach wird. Für den „Full-Scale“ Test wurden vier 16,5 Meter lange Booms aufgerollt und anschließend kreuzförmig ausgerollt, so dass sie ihren omegaförmigen Querschnitt wieder aufnehmen konnten und dadurch ihre mechanischen Eigenschaften zurückerhielten.
„Diesen Vorgang – das Auf- und wieder Ausrollen – konnten wir in unserem Test erfolgreich ausführen. Vollständig ausgerollt können die Booms auch ihre tragende Funktion wieder aufnehmen – der nächste Schritt ist es daher, die Entfaltung von Booms durch diesen Mechanismus in einer Thermal-Vakuumkammer der NASA zu testen. Allerdings nicht, ohne vorher noch die simulierten Belastungen eines realen Raketenstarts auf einem Rütteltisch überstehen zu müssen.“
Als nächster Schritt wird die entfaltbare Konstruktion auf einem DLR-Parabelflug bei Schwerelosigkeit getestet. Im Anschluss ist das Subsystem ausreichend für den nächsten logischen Schritt qualifiziert – den Test im Erdorbit.