In den vergangenen zwei Jahren hat das EmpowerAX-Team des DLR-Instituts für Systemleichtbau zusammen mit seinen Partnern die Möglichkeiten des Überdruckens eindrucksvoll dargestellt. Zwei Demonstratoren haben gezeigt, wie der Ansatz der additiven Funktionalisierung den agilen Prozess der thermoplastischen additiven Extrusion direkt auf der Oberfläche eines konventionell gefertigten duroplastischen Faserverbundbauteils abbilden und die Vorteile beider Welten in einem Bauteil verknüpfen kann. Diese Prozesskombination hat unter anderem die Jurys des Innovationspreises Niedersachsen und des JEC Composites Innovation Awards überzeugt.
Doch nun beginnt die eigentliche Arbeit: Es gilt, das Überdrucken weiter auszureifen und neben der industriellen Verfügbarkeit der Prozesskette auch die robuste und qualitätsgesicherte Durchführbarkeit zu zeigen. Gleichfalls werden weitere Anwendungsfälle erschlossen, die neben der Funktionalisierung faserverstärkter Bauteile auch deren Individualisierung und Reparatur ermöglichen. Das Überdrucken schafft somit nicht nur in der Bauteilherstellung, sondern auch in der Montage und Instandsetzung neue Möglichkeiten.
Überdrucken: Eine dauerhafte Lösung
Das Überdrucken beschreibt im Allgemeinen die Durchführung eines additiven Extrusionsprozesses auf einer bereits existierenden Oberfläche eines Bauteils mit dem Ziel, eine dauerhaft beständige Verbindung zwischen dem bereits bestehenden Bauteil und der aufgedruckten Komponente herzustellen. Nach der Demonstration der additiven Funktionalisierung erarbeitet das Team unseres Strategiefelds AddCompS™ (Additive Composite Structures) weitere Anwendungsszenarien. Eines dieser Szenarien ist beispielsweise, Montage- und Anschraubpunkte auf das entsprechende Gegenstück anzupassen. Die additive Individualisierung ermöglicht es somit, Fertigungstoleranzen im Zehntelmillimeterbereich auszugleichen, ohne mit losen Beilageblechen arbeiten zu müssen. Dieser Ansatz vereinfacht damit nicht nur die Erstmontage, sondern insbesondere auch das Handling bei Demontage und erneuter Befestigung.
Den Druck mitgedacht: Oberflächenmodifikation
Ein Schlüsselfaktor für das erfolgreiche Überdrucken ist die Modifizierung der zu bedruckenden Oberfläche. Am Institut für Systemleichtbau werden dazu unterschiedliche Ansätze geprüft, die auch aus der Vorbehandlung von Klebeflächen bekannt sind, unter anderem das Anschleifen, das Reinigen mit Lösemitteln, die Plasmabehandlung oder die Herstellung einer strukturierten Oberfläche durch ein Abreißgewebe. Zusätzlich finden mit dem an unserem Institut entwickelten Fused-Bonding-Verfahren und dem Einbringen thermoplastischer Folien prozessintegrierte Ansätze Einzug in die Untersuchung.
Speziell die Thermoplastfolien zeigen vielversprechende Ergebnisse: Sie verbinden sich beim Aushärten fest mit dem Matrixwerkstoff des Faserverbundbauteils; im Falle von Polyetherimid, einem amorphen Hochleistungsthermoplasten, und Epoxidharz als duroplastischer Matrix bildet sich gar eine diffusive Zwischenphase aus. Gleichzeitig stellt die Folie eine thermoplastische Oberfläche dar, die eine feste Verschweißung mit der aufgedruckten Komponente im additiven Prozess ermöglicht.
Additive Reparatur von Schienenfahrzeugfronten
Für die additive Bauteilreparatur stellt die Oberflächenmodifizierung eine besondere Herausforderung dar. Schließlich muss eine thermoplastische Folie auf ein bereits ausgehärtetes Bauteil aufgebracht werden. In dem aktuellen Projekt OMM-Com untersucht das Institut für Systemleichtbau derzeit gemeinsam mit einem großen deutschen Schienenfahrzeugbetreiber genau diesen Prozess. Ziel ist dabei, die Oberfläche beschädigter Bauteile im Frontbereich von Schienenfahrzeugen gezielt mit bahntauglichen Werkstoffen in robusten industrietauglichen Prozessen zu modifizieren. Die anschließende robotergestützte additive Reparatur verspricht im Vergleich zur heute üblichen händischen Ausbesserung einen wesentlich schnelleren Prozess, der mit deutlich geringerem manuellen Aufwand und somit geringerem Fehlerpotenzial und niedrigeren Kosten auskommt.