Triebwerkslärm in der Flugzeugkabine wird als besonders störend empfunden, wenn Töne oder tonale Schwebungen auftreten. Ursächlich für den tonalen Lärm sind zum einen die Rotorblätter und zum anderen die Schwingungen der Triebwerke, die sich über die Flugzeugstruktur bis in die Kabine ausbreiten können. Dabei sind tiefe Töne besonders schwer in den Griff zu bekommen, weil deren Ausbreitung klassischerweise nur durch den unerwünschten Einsatz von Zusatzmassen und Dämmstoffen unterbunden werden kann. Aus diesem Grund hat unser Institut eine neuartige Innenverkleidung entwickelt, um die Pegel der störenden Töne mit möglichst wenig Zusatzmasse zu reduzieren. Das smarte Bauteil kann dazu beitragen, den Lärm in der Kabine zu reduzieren, der durch Propeller- oder treibstoffsparende Triebwerke mit offenen Rotoren entsteht. Selbst bei Turbo-Fan-Triebwerken kann das entwickelte System tieffrequente Töne in der Kabine reduzieren. Darüber hinaus ermöglichen die Zusatzfunktionen einer smarten Innenverkleidung, z. B. Passagierdurchsagen abzuspielen, Maskierungsgeräusche zu erzeugen oder Sensordaten für Analysezwecke bereitzustellen.
Mit smarten Bauteilen effizient Lärm reduzieren
Das Funktionsprinzip der neuartigen Innenverkleidung – hier ein Deckenpaneel – ist in der oberen Abbildung dargestellt. Triebwerksvibrationen breiten sich über die Pylone in die Rumpfstruktur aus und versetzen Verkleidungsteile, wie das Deckenpaneel, in Schwingung. Diese Schwingungen wiederum führen zu einer Schallabstrahlung in die Kabine. Das smarte Deckenpaneel kann seine eigenen Schwingungen anhand der Signale von Beschleunigungssensoren erfassen. Ferner verarbeitet es Schalldruckdaten von Mikrofonen in der Kabine. Ein Controller berechnet aus den Sensordaten Ansteuersignale für die Inertialerreger, welche gezielte Schwingungen in das Bauteil einleiten, um den Schalldruck in der Kabine zu reduzieren. Das Prinzip ähnelt der bei Kopfhörern etablierten „Active Noise Cancellation (ANC)“-Methode. Im Unterschied zu lautsprecherbasierten Systemen ist das smarte Deckenpaneel dank seiner großen Oberfläche besonders gut geeignet, um hohe Schalldrücke bei tiefen Frequenzen zu erzeugen. Außerdem benötigt das System nur wenig Bauraum und kann nahezu unsichtbar in die Kabine integriert werden
Systemauslegung mit Messdaten des iSTAR
Messdaten aus einem früheren Bodenversuch mit dem iSTAR halfen dabei, das smarte Deckenpaneel auszulegen. Ergebnis dieses Auslegungsprozesses sind eine Aktuator- und Sensorverteilung sowie eine Abschätzung der Lärmreduktion für ein optimiertes System. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Verteilung des Schalldruckpegels (SPL) in Kopfhöhe bei 137,5 Hz und bei 404 Hz. Diese Frequenzen entsprechen den Wellendrehzahlen der Nieder- und Hochdruckverdichter bei circa 80 % Schub. Der Einfluss des aktivierten smarten Deckenpaneels auf die SPL-Verteilung in der Kopfebene ist im rechten Teil von der Abbildung zu sehen. Es wird deutlich, dass das System vor allem den tieferen Ton beeinflussen kann. Dieser wird im Mittel um 6,9 dB reduziert. Dafür werden nur vier jeweils 60 Gramm schwere Aktuatoren benötigt.
Systemtest bei Triebwerksanregung im Bodenversuch
Um das smarte Deckenpaneel unter Realbedingungen zu testen, wurde ein zweiter Bodenversuch mit Triebwerksanregung durchgeführt. Das DLR-Institut für Aeroelastik, die DLR-Einrichtung Flugexperimente, der DLR-Entwicklungsbetrieb und der Hersteller Dassault Aviation unterstützten die Versuche.
Die in der letzten Abbildung dargestellten Ergebnisse aus dem Bodenversuch belegen die Wirksamkeit des smarten Deckenpaneels. Die mittlere Reduktion des SPL auf Kopfhöhe (#4) sowie in der oben (#5) und unten (#6) angrenzenden horizontalen Ebene beträgt 3 dB. Die SPL-Reduktion fiel somit geringer aus als erwartet. Ursächlich dafür ist das veränderte Schwingungsverhalten der Triebwerke. Wie in der Abbildung erkennbar, war der SPL bei inaktivem Deckenpaneel beim zweiten Bodenversuch deutlich geringer als beim ersten. Ferner traten im zweiten Bodenversuch stärkere tonale Schwebungen in der Kabine auf, welche bei der Systemauslegung nicht berücksichtigt wurden. Daher sind deshalb weitere Tests nötig, um die Lärmreduktion des smarten Deckenpaneels auf den vorhergesagten Wert zu erhöhen.
Dieses Projekt wurde im Rahmen des „Clean Sky 2 Joint Undertaking“-Forschungsprogramms der Europäischen Union „Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union“ unter der Fördervereinbarung Nr. CS2-LPA-GAM-2020-2023-01 gefördert.
This project has received funding from the Clean Sky 2 Joint Undertaking under the European Union’s Horizon 2020 research and innovation program under grant agreement No CS2-LPA-GAM-2020-2023-01.