Wasserstoff ist eine vielversprechende Treibstoffoption für die kommende Generation von Verkehrsflugzeugen. An Bord wird er in flüssiger Form, d.h. kryogen, bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt mitgeführt und als LH2 bezeichnet. Ein großer Tank ist notwendig mit sehr guter thermischer Isolation. Tank und Isolation erhöhen die strukturelle Masse. Das Gewicht eines Flüssigwasserstofftanks ist eine Material- und eine Optimierungsfrage. Eine besondere Herausforderung ist die Dichtigkeit: Wasserstoffmoleküle sind sehr klein und durchdringen (Permeation) jedes Tankmaterial mehr oder weniger schnell. Das Permeationsverhalten von Faserverbundstrukturen im Kontakt mit kryogenem Wasserstoff zu verstehen und messen zu können, ist daher für dessen sichere Handhabung von großer Bedeutung. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden Materialien, Design und Fertigung des Tanks angepasst. Ein pragmatischer Ansatz wird mit der Fertigung von Rohrproben verfolgt, die zyklisch auf kryogene Temperatur abgekühlt und anschließend auf Dichtigkeit und auf Rissbildungen unter dem Mikroskop untersucht werden. So sind schnell grundlegende Erkenntnisse zu erlangen.
Wasserstoff als Energieträger ist eine vielversprechende Option bei der Dekarbonisierung der Luftfahrt. Um Wasserstoff als Treibstoff einsetzen zu können, müssen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit im Betrieb sichergestellt sein.
Wie dicht wird ein CFK-Tank?
Die Nutzung von Wasserstoff als Flugzeugtreibstoff wird aufgrund der geringen gravimetrischen Energiedichte in flüssiger Form angestrebt. Flüssiger Wasserstoff liegt bei Temperaturen unter -253 °C vor. Die tiefe Temperatur, gepaart mit der geringen Molekülgröße von H2 stellt die Tankstruktur vor die zentrale Herausforderung: die Gasdichtigkeit. Bereits kleinste Risse im Material können zur Erhöhung der Permeationsrate führen und reduzieren die Dichtigkeit des Tanks. Da der Tank bei gleichem Energieinhalt volumetrisch größer als bisherige Kerosintanks und mit aufwendigerer Isolation auch keinesfalls leichter wird, das Gewicht aber wieder den Treibstoffverbrauch im Flug erhöht, ist eine möglichst leichte Tankstruktur zu wählen. Hier bietet der kohlenstofffaserverstärkte Verbund (CFK) Vorteile gegenüber metallischen Ausführungen. Die Aufgabe ist also: die Permeationsrate eines kryogenen CFK-Tanks in Auslegung und Betrieb zu minimieren.
Um die CFK-Strukturen bei einem Innendruck von 5–10 bar und einer Temperatur von -253°C für die kleinsten Moleküle hinreichend gasdicht zu machen, müssen jegliche adhäsive Versagensmuster zwischen Faser und Matrix wie auch kohäsive Risse innerhalb der Matrix ausgeschlossen werden. Ein detailliertes Verständnis ist erforderlich, wie Mikrorisse unter kryogener Temperatur entstehen, sich ausbreiten und wie sie gestoppt oder ganz vermieden werden können. Dabei spielen neben den Werkstoffen auch die Fertigungsprozesse in der Tankherstellung eine entscheidende Rolle
Wie wird der kryogene CFK-Tank fertigbar?
Metallische, rotationssymmetrische Formwerkzeuge dehnen sich, abhängig von Legierung und Temperatur, bei der Aushärtung im Autoklav aus. Der Autoklavdruck wirkt in entgegengesetzter Richtung. Das Laminat härtet folglich in einer Lage aus, die sich von der Lage während der Faserablage unterscheidet. Die von außen wirkenden Kräfte könnten dabei im Laminat zu lokal veränderten Faservolumengehalten führen. Die höhere Steifigkeit der Faser im Vergleich zur Matrix könnte zu einem Verpressen des Harzes führen. Umgekehrt stellt sich die Frage, wie weit das ausgehärtete Laminat beim Abkühlen der formgebenden Kontur des schrumpfenden Formwerkzeugs folgt. Die Verhältnisse zwischen Wandstärke des Werkzeugs, Laminatdicke und Umfangslänge unterscheiden sich zwar bei den Rohrproben deutlich von denen beim späteren Tank. Effekte wie bspw. lokale Faservolumengehalte, auftretende Welligkeiten und Schrumpfung dürften – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – dennoch in allen Maßstäben auftreten. Für den Fertigungsprozess des Tanks gilt es folglich ein Verständnis aufzubauen, wie die Zähigkeit der Matrix, die Anordnung der Fasern und die Prozessparameter auszulegen sind. Für die gefertigte Tankstruktur in vollem Maßstab wird eine Zielvorgabe sein, Zwischenfaserbrüche infolge thermisch und mechanisch induzierter Spannungen der Struktur im Betrieb zu vermeiden. Ein tiefgreifendes Verständnis der Zusammenhänge wird dabei über die Fertigbarkeit entscheiden.
Dafür werden u. a. rohrförmige metallische Formwerkzeuge mit einem Außendurchmesser von D = 350 mm benutzt. Auf diesen lassen sich rohrförmige Proben zügig manuell oder mit AFP (Automated-Fiber-Placement)-Legeköpfen fertigen. Die rohrähnliche Probenform erlaubt es, ohne große Formwerkzeuge in entsprechend aufwendigen Fertigungsdurchläufen schon erste Geometrieeffekte durch die geschlossene Krümmung der Struktur abzubilden. Mit ausgetrennten und im kryogenen Temperaturbereich vorkonditionierten Ausschnitten werden anschließend Schliffbilder erzeugt und in weiteren bildgebenden Untersuchungsverfahren geprüft. Bewertbar wird damit ein mögliches Risswachstum einer einfach gekrümmten, geschlossenen Struktur ohne Randeffekteinflüsse. Die Grenze der Aussagefähigkeit der Rohrproben liegt zum einen in ihrer geometrisch bedingt einfachen Krümmung. Dombereiche des Tanks sind doppelt gekrümmt und lassen sich damit nicht abbilden. Zum anderen erlauben die Flächenverhältnisse aufgrund der Skalierung nur eine qualitative Aussage über die auftreteneden Effekte. Die tatsächliche Ausprägung wird später aus den Bauteilen in vollem Maßstab ersichtlich. Dennoch haben die pragmatischen Vorversuche mit handlichen Rohrproben das Potenzial, die Iterationen bei der Entwicklung der Tankfertigung signifikant zu beschleunigen und Kosten zu vermeiden. Gleichzeitig steigt die Aussagekraft verglichen mit ebenen Couponproben im Entwicklungsprozess von ebenen Coupons über Rohrproben, Halbtank- und Bottletests bis hin zum Fullscale-Tank.