Verkürzte Start- und Landebahnen ermöglichen deutlich effizientere Punkt-zu-Punkt Verbindungen in der Luftfahrt, da schwierig zu erreichende Orte so angeschlossen werden können. Zukünftige antriebsgestützte Hochauftriebssysteme erreichen dieses Ziel z.B. durch aktives Ausblasen über eine stark gekrümmte Flügelklappe, welche den Coandă-Effekt ausnutzt. Im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 880 „Grundlagen des Hochauftriebs künftiger Verkehrsflugzeuge“ hat das Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik eine dynamisch aktuierte Ausblaslippe entwickelt und erfolgreich im Windkanal getestet.
Kürzer Landen und Starten
Die Leistungsfähigkeit von kurzstartfähigen Flugzeugen lässt sich mit Hochauftriebssystemen durch aktives Ausblasen erhöhen. Erfolgt das Ausblasen über eine gekrümmte Flügelklappe können unter Ausnutzung des Coandă-Effektes drastische Auftriebssteigerungen erreicht werden. Der Coandă-Effekt beschreibt die Eigenschaften eines Gasstrahls, sich an einer gekrümmten Wand anzulegen und dieser unter bestimmten Umständen zu folgen. Dies dient der Vergrößerung des Auftriebes von Flugzeugen durch Beeinflussung der Tragflügelumströmung. Somit entsteht die Möglichkeit, kürzere Start- und Landebahnen zu nutzen. Um ein Ablösen der Strömung zu verhindern, ist eine dynamische Aktuierung des Ausblasespaltes in einem geschlossenen Regelkreis erforderlich.
Ein leistungsfähiger Aktuator
Der Fokus der Forschungsarbeiten liegt daher auf der Entwicklung und Integration eines robusten Aktuatorsystems zur dreidimensionalen Strömungsbeeinflussung einer überströmten Coandă-Klappe. Entsprechend den Randbedingungen (geringer Bauraum, Frequenzbereich 5 Hz – 300 Hz, 2 bar Druck) wurden verschiedene Konfigurationen herausgearbeitet und gegeneinander bewertet. Alle Anforderungen werden mit einem Konzept erfüllt, das auf einem Piezostapelaktuator in Verbindung mit einer Hebelübersetzung und einem Festkörpergelenk basiert.
Der ausgewählte Stapelaktuator hat einen Durchmesser von 10 mm, eine Länge von 56 mm und erzeugt einen Freihub von 60 µm bei einer Blockierkraft von 2,2 kN. Damit erreicht ein Lippensegment die geforderte Auslenkung über den gesamten relevanten Frequenzbereich und zeigt auch nach 100 Millionen Lastspielen keine Reduktion der Leistungsfähigkeit.
Im Windkanal
Zur Erprobung wurde das System in ein Windkanalmodell mit einer Profiltiefe von 300mm integriert, um die Strömung über die gesamte Breite des Modells zu beeinflussen. Das System ist in 33 Segmente mit einer Breite von je 29mm gegliedert und somit in der Lage, eine statische und dynamische Strömungsbeeinflussung über eine Spannweite von 1m zu realisieren. Alle Segmente können unabhängig voneinander angesteuert werden und bieten somit ein großes Optimierungspotential für die Strömungsbeeinflussung.
Im Rahmen einer Messkampagne in Kooperation mit dem Institut für Strömungsdynamik der TU Braunschweig wurde die aktive Ausblaslippe intensiv erprobt. Die Messungen im Windkanal zeigen eine Auftriebserhöhung von bis zu ∆CA=0,57 durch das aktive System. Diese aerodynamischen Gewinne werden bei Amplituden erreicht, die kein vollständiges Schließen oder Öffnen des Ausblasespaltes durch die Lippensegmente erfordern, was den Vorteil des aktuellen Lippendesigns zeigt. Studien zur Skalierung des Konzeptes belegen, dass auch ein Flügel im Originalmaßstab mit dem entwickelten aktiven System ausgestattet werden kann.
Die Ausblaslippe im Schnitt mit der Lippenspitze im Ruhe- sowie im ausgelenkten Zustand.