Was wäre, wenn aktuell von Satelliten ausgeführte Beobachtungsmissionen in Zukunft viel einfacher und kostengünstiger sein könnten? Bedarf besteht z. B. bei der Eisbeobachtung, der Überwachung von Krisengebieten, der Katastrophenunterstützung, der Schifffahrtsüberwachung, der Tierbeobachtung sowie Emissionsmessungen etc. An einer solchen kostengünstigen Alternative arbeitet das DLR. Sie heißt HAP – High Altitude Platform – und ist ein autonom fliegendes, solar betriebenes und für lange Zeit in der Stratosphäre stationierbares Luftfahrzeug. Es lässt sich kostengünstig herstellen, starten und landen und für vielfältige Kommunikations- und Erdbeobachtungsaufgaben einsetzen. Harte Umwelt- und Betriebsbedingungen bringen jedoch auch vielfältige Herausforderungen mit sich, darunter hohe Systemzuverlässigkeit und extremer Leichtbau. An diesen und vielen weiteren Aspekten forscht das DLR und entwickelt im Projekt HAP ein Forschungsflugzeug für zukünftige wissenschaftliche Experimente. Der Innovationsbericht 2020 hat es bereits vorgestellt. Die Entwicklung ist inzwischen weiter vorangeschritten, wie auch die neuesten Ergebnisse des Institutes am Beispiel des extremen Strukturleichtbaus zeigen.
Multidisziplinäre Abstimmung aller Komponenten …
Die weitere Miniaturisierung elektronischer Bauelemente und Computer sowie die deutlich gesteigerte Energiedichte von Akkumulatoren und erhöhte spezifische Wirkungsgrade von Solarzellen bilden wesentliche Grundlagen für eine erfolgreiche Realisierung. Nur so ist es möglich, genügend Energie auch für die Nachtstunden einzusammeln, zu speichern und für lange Missionen bereitzustellen.
Für eine dauerhafte Stationierung in der Stratosphäre muss die Flächenbelastung, das ist die Gesamtmasse des Flugzeugs bezogen auf seine Flügelfläche, extrem niedrig bleiben. Der zulässige Wert bewegt sich mit 3,5 kg/m² auf dem Niveau großer Vögel wie etwa Störchen. Dabei hat das Flugzeug mit 27 m allerdings eine Spannweite in der Größenordnung eines Airbus A320. Insgesamt gelten extreme Leichtbauanforderungen für die Struktur und auch für alle Systeme im Flugzeug.
Als Strukturwerkstoffe kommen daher wegen ihres herausragenden Leichtbaupotenzials nahezu ausschließlich Faserkunststoffverbunde (FKV), hier vor allem kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) mit minimalen Wanddicken zur Anwendung. Als besonders vielversprechendes und hocheffektives Strukturkonzept hat sich für die Tragflächen eine Rohrholm-Bauweise in Verbindung mit Sandwichrippen erwiesen.
… erreicht neue Dimensionen
Um die Potenziale von CFK-Werkstoffen vollständig auszuschöpfen, muss die beste und leichteste Verbindungsmöglichkeit zur Anwendung gelangen. Hier erweist sich die Klebtechnik als wichtiges Mittel für den Leichtbau einer FKV-Struktur. Üblicherweise sind bei Klebverbindungen allerdings recht hohe Abminderungsfaktoren zu berücksichtigen, welche die Effektivität und Leichtbaugüte verringern. Wesentliche Verbesserungen bietet hier das sogenannte Surface Toughening, das durch eingebrachte Materialien mit besonders elastischen Eigenschaften Spannungsspitzen an den beiden sehr steifen Fügepartnern reduziert. Bei der Analyse und Dimensionierung dieser Technologie unterstützen sehr detaillierte Finite-Element-Modelle und während des Versuchs hilft spezialisierte Messtechnik bei Untersuchung und Abgleich. Infolgedessen lässt sich die Robustheit der Klebung signifikant erhöhen. Abminderungsfaktoren lassen sich dadurch deutlich verringern. Das spart Gewicht und schafft gleichzeitig Sicherheit!
So stellt die hochfliegende Plattform HAP über das eigentliche Projektziel hinaus eine hervorragende Basis dar, um verschiedene hochinnovative Technologien unter herausfordernden Bedingungen zu testen und auch für andere Anwendungen zu erschließen.