Weltraumschrott ist eine ernst zu nehmende Gefahr für aktuelle und zukünftige Weltraummissionen. Mittlerweile kreisen hunderttausende Schrottteilchen von ehemaligen Weltraumstrukturen mit hoher Geschwindigkeit und somit hoher kinetischer Energie im Orbit. Bei einem Zusammenprall können selbst kleinste Teilchen große Schäden hervorrufen und bis zum Totalausfall von z. B. Fernmeldesatelliten und ganzen Kommunikationssystemen führen. Das Bestreben aller Raumfahrtorganisationen ist daher, den Weltraumschrott einzusammeln und gar nicht erst entstehen zu lassen. Dem widmet sich die ESA speziell im Rahmen der CleanSpace Roadmap. Eine Lösung bietet das Projekt ADEO (Architectural Design and Testing of a Deorbiting Subsystem) mit einem speziellen Subsystem. Dieses lässt ausgediente Satelliten im Bedarfsfall beschleunigt in die Erdatmosphäre wieder eintreten und hilft somit Weltraumschrott zu vermeiden. Das aktuell in der Entwicklung befindliche System lässt sich wie ein Rucksack auf einen Satelliten schnallen. Am Ende seiner Lebenszeit entfaltet sich ein ca. 5 m x 5 m großes Segel, das die Widerstandsfläche gegenüber der Restatmosphäre vergrößert und wie ein Bremsfallschirm wirkt. So lässt sich der ausgediente Satellit schnellstmöglich und innerhalb der geforderten 25 Jahre aus dem Orbit entfernen – oder wie es in der Fachsprache heißt – „passiv deorbitieren“. Das Institut trägt mit seiner Entwicklung der entfaltbaren Masten für das Segel wesentlich zum Erfolg des Projekts bei.
Ziel und Anwendung des ADEO-Subsystems
Im ESA-finanzierten Projekt ADEO entwickelt ein Konsortium aus Industriepartnern und dem DLR unter der Leitung von HPS München ein skalierbares, passiv agierendes De-Orbiting-Subsystem. Im Vergleich zu aktiven Wiedereintrittssystemen ist das ADEO-Subsystem deutlich leichter und kostet erheblich weniger. Das gestaute ADEO-System passt in eine Box mit den Maßen von ca. 43 cm x 43 cm x 18 cm und ist auf dem zu deorbitierenden Satelliten befestigt. Am Ende der Lebenszeit des Satelliten spannt ein motorgesteuerter Antrieb vier Segelsegmente über vier Masten auf. Die entstehende Fläche von ca. 5 m x 5 m dient als Bremssegel. Die Restatmosphäre des niederen Orbits bremst den Satelliten ab und lässt ihn wieder in die Erdatmosphäre eintreten, wobei der Satellit infolge der Reibungswärme verglüht. Weltraumschrott entsteht gar nicht erst.
DLR Mast-Technologie
Das Institut verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung von ultraleichten entfaltbaren Masten und deren Entfaltungsmechanismen. Im Projekt ADEO ist das Institut daher für Design, Fertigung und Qualifikation der Masten verantwortlich. Der verwendete Masttyp hat einen geschlossenen, durch zwei omegaförmige Halbschalen geformten Querschnitt mit einer Breite von 74 mm und einer Höhe von 60 mm. Die Masten bestehen aus einer ca. 0,14 mm dicken Gewebelage aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Das führt zu einer Masse von nur ca. 32 g pro Meter. Durch die geringe Materialdicke, die Querschnittsgeometrie und das verwendete Material lassen sich die Masten flach drücken, auf einem Zylinder aufrollen und so extrem platzsparend stauen. Das ADEO-Subsystem nutzt dies sehr effizient aus, indem es vier Masten auf einer zentralen Spule staut.
Qualifikation für industrielle Anwendung und In-Orbit Demonstration
Noch in diesem Jahr soll eine vollständige Testkampagne das ADEO-Subsystem für den späteren Einsatz qualifizieren. Tests und Analysen müssen speziell die Erfüllung der hohen Anforderungen zur Langzeitstauung, hier bis zu 20 Jahre, nachweisen. In den kommenden Jahren ist das nächste Ziel eine erfolgreiche In-Orbit Demonstration des ADEO-Subsystems. Danach steht dem industriellen Einsatz nichts mehr im Wege. Dazu implementiert das DLR Qualitätssicherungsmaßnahmen, wie z. B. mechanische Versuche in dem einzigartigen vertikalen Prüfstand für Masten mit bis zu 13 m Länge.