Es wurde eine dreidimensionale absenkbare Flügelvorderkante mit einer großen und kontinuierlichen Verformung entwickelt, gefertigt und getestet. Diese sogenannte Senknase besteht aus einer hybriden Glasfaser-Elastomer-Haut mit integrierten Stringern und optimierten kinematischen Rippen mit Aktuatoren. Bodentests zeigen maximale Dehnungswerte unter 0,7%, die voraussichtlich unter den Dauerfestigkeitsgrenzen liegen werden.
Leiser Hochauftrieb
Die Senknase ist Bestandteil eines neuen Hochauftriebssystems. In Kombination mit einer aktiven Coandă-Hinterkante kann die Senknase bei geringer Lärmemission sehr hohe Auftriebsbeiwerte (über 6,5) erzeugen und damit die Anforderungen an die Start- und Landebahnlänge reduzieren. Flugzeuge mit dieser Fähigkeit könnten von zahlreichen und unausgelasteten Flugplätzen in der Nähe von Wohngebieten aus operieren. Die Flugverkehrsüberlastung an Großflughäfen könnte dadurch verringert werden, ohne das Wirtschaftswachstum zu beeinträchtigen.
Angepasste multifunktionale Verbundwerkstoffe
Damit Strukturen ihre Form verändern können, müssen sie flexibel sein. Zugleich sollten sie jedoch steif genug sein, um ihre Form bei Bedarf zu halten. Flügelstrukturen mit aktiver Gestaltkontrolle zielen darauf ab, diesem scheinbaren Widerspruch zu begegnen, indem sie ihre Form unter verschiedenen Bedingungen anpassen und gleichzeitig die Fluglasten tragen. Darüber hinaus müssen sie leicht sein und alle Anforderungen erfüllen, die an Flugzeugflügel gestellt werden. Bei dem Demonstrator mit 1,1 Meter Spannweite ist die Haut aus HexPly® 913 Glasfaser und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM) Elastomer speziell angeordnet, um die Steifigkeit präzise anzupassen. Der Lagenaufbau besteht aus äußeren Elastomerschichten mit eingebetteten Glasfaserbündeln in Spannweitenrichtung und einem zentralen Glasfaserlaminat mit variierender Dicke in Profiltieferichtung. Diese Anordnung ermöglicht Krümmungsänderungen in Profiltieferichtung und widersteht gleichzeitig der Biegung in Spannweitenrichtung. In weiteren Tests hat die Integration von Kohlefaserbündeln, einem Kupfermesh und Ultra-Hochmolekulargewichts-Polyethylen (UHMW-PE) in die Haut jeweils Potenzial für Enteisung, Blitzschutz und Erosionsschutz gezeigt.
Preisgekrönte interdisziplinäre Forschung
Dieser Demonstrator ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Expertinnen und Experten aus der Aerodynamik, der Flugzeugstrukturtechnik und der Fertigung der TU Braunschweig und dem DLR im deutschen Projekt Sonderforschungsbereich 880 (SFB880). Das Institut führte die allgemeine Strukturauslegung, die Optimierung der Kinematik und der Hautdicke und die Laborversuche durch. Die Senknase ist der neueste Prototyp des Instituts, der die Erkenntnisse der letzten zehn Jahre Forschung auf diesem Gebiet bündelt.
Angesichts der erzielten Entwicklungen wurde diese Forschung mit dem Hermann-Blenk-Forscherpreis 2019 und dem erstmals vergebenen ASME AMTIS Outstanding Contribution Award 2019 ausgezeichnet (ASME – Amerikanische Gesellschaft der Maschinenbauingenieure, AMTIS – Aktive Materialtechnologie und integrierte Systeme)
Zeitrafferaufnahme der Senknase, wobei jedes Bild im Abstand von 2 Sekunden aufgenommen wird. Die Senknase wurde für die Labormessungen mit einer Absenkgeschwindigkeit von circa 0,4 Grad pro Sekunde betrieben. Im späteren Betrieb können schnellere Absenkungen realisiert werden.