Zur Bewertung von Schlagschäden und Welligkeiten, die bei der Fertigung und im Betrieb von Flugzeugstrukturen aus Verbundwerkstoffen auftreten können, steht ein neues Konzept bereit. Es kann sowohl in der Entwurfs- und Fertigungsphase als auch im Beanstandungsprozess während der Serienproduktion Anwendung finden. Das neue Konzept umfasst einen Kriterienkatalog, der relevante Defektparameter von Welligkeiten und Schlagschäden kombiniert und ganzheitlich bewertet. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Auswirkungen von interagierenden Welligkeiten und Aufprallschäden werden individuell und effizient analysiert. Der Aufwand für die numerische und experimentelle Material- und Bauteilqualifizierung lässt sich dadurch reduzieren. Die Toleranz- und Qualitätsanforderungen in der Fertigung lassen sich neu bewerten und dadurch die Kosten in der Hochlaufphase und in der Serienproduktion durch unnötige Beanstandungs-prozesse (Concessions), Nacharbeit und Ausschuss reduzieren.
Stand der Technik
In Flugzeugstrukturen aus Verbundwerkstoffen können fertigungs- und betriebsbedingt Defekte auftreten: Welligkeiten beispielsweise entstehen durch Fremdkörper sowie Überlappungen und Lücken im Material oder auch durch die gewählte Fertigungstechnologie. Defekte können aber auch während des Betriebs und der Wartung durch Stein-, Hagel- und Vogelschlag sowie durch Werkzeugfall hervorgerufen werden. All diese Defekte können sich durchaus negativ auf die Lasttragfähigkeit von Faserverbundstrukturen auswirken. Welligkeiten sind meist schwierig zu detektieren und auch Schlagschäden führen zu kaum sichtbaren Schäden. Erfahrungsgemäß akkumulieren sich beide Defektarten, wobei die Interaktion zwischen Welligkeiten und Schlagschäden bislang noch weitestgehend unerforscht ist. Aus dem fehlenden physikalischen Verständnis folgen konservative Annahmen und hohe Toleranz- und Qualitätsanforderungen an die Fertigung. Reparatur und Ausschuss bei der Fertigung erhöhen die Kosten des Bauteils: Beispielsweise macht die Inspektion und Nacharbeit der Cockpitsektion des Dreamliners etwa ein Drittel der gesamten Fertigungszeit aus.
Das neuartige Konzept
Im Rahmen einer sehr umfangreichen „Effects of Defects“-Testkampagne erfolgten experimentelle, numerische und theoretische Untersuchungen zunächst an Welligkeitsdefekten und an deren Ursachen (aktuelle Forschungsarbeiten) und anschließend zum komplexen Interaktionsverhalten zwischen Welligkeiten und Schlagschäden.
189 Proben, alle nach Airbus-Normen geprüft, sind die Grundlage zur Ableitung aussagekräftiger physikalischer Zusammenhänge, insbesondere zur Wechselwirkung mit den Schlagschäden. Die Ergebnisse der Testkampagne zeigen, dass die Wechselwirkung mit Schlagschäden ein multiplikatives Verhalten darstellt und dass Welligkeiten die Resttragfähigkeit einer Probe mit Schlagschäden zwar abmindern, aber nicht zwangsläufig zusätzlich. Zudem sind relevante Parameter individuell betrachteter Defekte nicht auch zwingend relevant bei ihrer Interaktion. Auf Basis dieser experimentellen Studien wurde ein neuartiges Konzept zur individuellen und effizienten Bewertung von interagierenden Welligkeiten und Schlagschäden formuliert, welches aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil umfasst die Festlegung von Fallunterscheidungskriterien mit deren Hilfe Konservatismen in den Methoden reduziert werden können. Diese sind:
- der Energie-Level der Schlagschäden als Funktion der kritischen Parameter,
- die vorliegende Welligkeitsmorphologie und Position des Schlagschadens sowie
- die Aufprallseite als Funktion der kritischen Parameter
- zulässige und auftretende Dehnungen.
Der zweite Teil dieses Konzeptes umfasst die Schadensbewertung: Der Gesamtabminderungsfaktor durch interagierende Defekte ergibt sich multiplikativ aus den einzelnen Faktoren für die Welligkeit und den Schlagschaden. Es entsteht großes Einsparpotenzial, was den numerischen und experimentellen Aufwand bei der Material- und Bauteilqualifizierung betrifft. Die bisherigen Untersuchungen der Interaktion von Welligkeiten und Schlagschäden decken einen wichtigen Teil des Parameterraumes ab. In weiterführenden Untersuchungen stehen die Anwendungsgrenzen des neuartigen Entwurfskonzepts im Fokus.