Hubschrauber zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, sowohl den Vorwärtsflug als auch den Schwebeflug zu beherrschen. Die Rotorblätter des Hauptrotors spielen dabei eine wichtige Rolle, weil deren Geometrie die benötigte Antriebsleistung und damit die Energieeffizienz des Hubschraubers beeinflusst. Für den Vorwärtsflug sind schlanke, nahezu ebene Blätter optimal, während für den Schwebeflug tordierte Blätter mit größerer Profiltiefe im Wurzelbereich vorteilhaft sind. Das neu entwickelte Konzept des adaptiven Rotors ermöglicht es, die Effizienz des Hubschraubers in beiden Flugzuständen zu maximieren, indem sich die Geometrie der Rotorblätter an die unterschiedlichen Anforderungen im laufenden Betrieb anpassen kann. Die benötigte Antriebsleistung reduziert sich dadurch im Schwebeflug um 7 %.
Was soll erreicht werden? Gewünschte Geometrien optimaler Rotorblätter:
Die ideale Blatttiefe an jeder einzelnen radialen Position lässt sich aus theoretischen Modellen (wie der kombinierten Impuls- und Blattelementtheorie) ableiten. Danach weist ein Blatt des „optimalen Schweberotors“ über seine gesamte Länge ein konstantes und optimales Verhältnis von Auftriebs- zu Widerstandskraft auf. Dies wird erreicht mit einer großen Blatttiefe an der Wurzel, welche in Richtung der Blattspitze schnell abnimmt und am Ende einen konstanten Wert annimmt (hyperbolische Verteilung der Blatttiefe). Für den Vorwärtsflug hingegen ist ein Rotorblatt mit rechteckigem Grundriss ein guter Startpunkt. Strukturkonzepte für ein Rotorblatt, das in der Lage ist, zwischen einer konstanten Blatttiefe für den Vorwärtsflug und einer hyperbolischen Blatttiefenverteilung für den Schwebeflug zu wechseln, gibt es bislang nicht. Eine näherungsweise hyperbolische Verteilung der Blatttiefe wird durch die Aufteilung in zwei lineare Bereiche erreicht. Für diese geometrische Annäherung wurde ein adaptives Strukturkonzept abgeleitet, welches eine Verringerung der für den Schwebeflug erforderlichen Antriebsleistung um 7 % bei gleichbleibender Rotorleistung für den Vorwärtsflug ermöglicht.
Wie funktioniert’s? Das Strukturkonzept:
Um die Blatttiefe des Rotorblatts im Wurzelbereich zu erhöhen, wird ein Konzept für eine ausfahrbare Hinterkante gewählt. Dabei wird die Hinterkante des inneren Blattabschnitts an ihrer äußeren Kante drehbar gelagert. Die Hinterkante kann geführt von einer Schiene im Wurzelbereich ausschwenken. Die Häute an der Ober- und Unterseite des Blattes sind elastisch aus EPDM von Gummiwerk KRAIBURG GmbH & Co. KG (Waldkraiburg) ausgeführt und sowohl an der Hinterkante als auch am Holm verklebt. So bleibt immer eine spaltlose Oberfläche des Profils. Stege aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) stützen die elastische Haut, welche ebenfalls am Holm und an der Schiene aufgehängt sind und die Luftlasten, die senkrecht zur Haut auftreten, abfangen. Die Anzahl der Stege wird so festgelegt, dass die Deformationen (Ausbeulungen) der Haut unter einem kritischen Maß bleiben. Diese Dimensionierung findet mittels Finiter Elemente in einer gekoppelten Strömungs-Struktur-Rechnung statt. Die Verdoppelung der Blatttiefe im Wurzelbereich ist hierbei das Auslegungsziel.
Funktioniert’s? Test des Strukturkonzeptes:
Ein Demonstratorrotorblatt zeigt die Umsetzbarkeit des Strukturkonzeptes, wobei der Mechanismus zum Ausschwenken der Hinterkante mit einer radialen Länge von 99 cm aufgebaut wird. Das Demonstratorblatt weist im unausgefahrenen Zustand eine Blatttiefe von 270 mm und ein NACA-23012-Profil als Ausgangsgeometrie auf. Der Einfachheit halber wurde der Holm aus Aluminium gefräst. Um den Übergang zur elastischen EPDM-Haut zu ermöglichen, verschraubt man am hinteren Ende der Holme GFK-Elemente, auf die die EPDM-Häute vulkanisiert werden können. Die Herstellung der Stege und der Häute erfolgt in einem Prozessschritt mit Hilfe eines komplexen Werkzeugkonzepts bei dem vorgefertigte Stege zwischen entsprechenden Aluminium-Werkzeugen in Position gehalten werden, während sich das Rohmaterial für die Haut durch Aufheizen verflüssigt, in der Form konsolidiert und dabei mit Stegen und Holm verbindet. Zur Vermessung von Dehnungen in späteren Tests sind die Stege mit Dehnmessstreifen instrumentiert.
Die Messung der Deformationen des Demonstratorblatts für unterschiedliche Profiltiefen und Drehzahlen erfolgte im Rotationsprüfstand des DLR. Es folgte eine nicht rotierende Untersuchung des Demonstrators im Windkanal der Universität von Bristol (UK), um den Einfluss der Blatttiefenvergrößerung auf die aerodynamischen Beiwerte zu verifizieren.
Damit wurde die Machbarkeit einer strukturellen Umsetzung gezeigt und der Nachweis erbracht, dass die lokale Blatttiefenvergrößerung zur gewünschten Veränderung der aerodynamischen Beiwerte führt.
Details zur Auslegung und den experimentellen Untersuchungen sind in folgender Publikation zusammengestellt: Christoph Balzarek, Steffen Kalow, Johannes Riemenschneider, and Andres Rivero, Manufacturing and Testing of a Variable Chord Extension for Helicopter Rotor Blades, Actuators 2022, 11, 53. https://doi.org/10.3390/act11020053