Der Einsatz von Zweikomponenten-Epoxidharz-Systemen zur Imprägnierung von Preforms in isothermen RTM-Prozessen (engl. Resin Transfer Moulding) erlaubt eine kostengünstige und nachhaltige Bauteilfertigung in der Luftfahrt. Die Inline-Mischungsanalyse in solchen Systemen ist ein elementarer Baustein für eine qualitätsgesicherte Fertigung. Es kommen spezielle Sensoren zum Einsatz, die eine indirekte Messung von Mischungsverhältnissen ermöglichen. Der mathematische Zusammenhang zwischen Messung und Mischungsverhältnis ist jedoch komplex und entzieht sich einer genauen Beschreibung durch klassische Modelle. Daher nutzt das DLR in Zusammenarbeit mit Industriepartnern datenbasierte Ansätze, um die Inline-Mischungsanalyse für Zweikomponentensysteme realisierbar zu machen.
Sensorik zur Mischungsanalyse
Neben der Refraktometrie, bei der ein linearer Zusammenhang zwischen Messwert und Mischungsverhältnis in Abhängigkeit der Temperatur besteht (siehe Innovationsbericht „Die Mischung macht’s“ 2020), werden dielektrische Sensoren und die Spektroskopie betrachtet. Die dielektrische Analyse (DEA) misst die komplexe elektrische Impedanz. Durch Auftragen des Imaginärteils über dem Realteil ergibt sich im relevanten Frequenzbereich ein Halbkreis, dessen Radius mit dem Mischungsverhältnis korreliert. Während Universalsoftware basierend auf DEA-Daten unplausible Vorhersagen liefert, insbesondere negative Mischungsverhältnisse und hohe Vorhersagefehler, können mit Methoden des maschinellen Lernens genaue und aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden.
Die Nahinfrarot-Spektroskopie (NIR) stellt ein vollständiges Spektrum an Messwerten bereit. Bei der Auswertung der Lichtdurchlässigkeit im relevanten Wellenlängenbereich von 900nm-2100nm kennzeichnen mehrere Peaks die molekularen Bestandteile des Harzes, deren Zusammensetzung sich mit dem Mischungsverhältnis ändert. Auch hier sind zur Auswertung prinzipiell verschiedene Ansätze möglich, die beispielsweise Peaks, Integrale oder Ableitungen charakteristischer Wellenlängenbereiche berücksichtigen. Im Projekt SAUBER4.0 des Verbundführers AIRBUS entwickeln Projektpartner verschiedene Sensorsysteme zur Analyse von Harzmischungen. Neben dem am DLR eingesetzten DEA-Messsystem implementiert unter anderem die Firma APOS ein NIR-Spektrometer an einem durch das CTC entwickelten Teststand. So stellt die Firma APOS für am CTC hergestellte Harzmischungen Messdaten zur Verfügung. Auf deren Basis hat das DLR Vorhersagemodelle zur Mischungsanalyse entwickelt.
LASSO und Maschinelles Lernen
Abhängig von der eingesetzten Sensorik eignen sich unterschiedliche Modellklassen zur Vorhersage von Mischungsverhältnissen. Dabei besteht die Herausforderung, dass nur eine geringe Anzahl von Datensätzen hoher Qualität zur Verfügung steht. Denn eine kontrollierte Herstellung einer repräsentativen Anzahl an Mischungsverhältnissen bei paralleler Aufzeichnung entsprechender Messwerte ist aufwändig. Kombiniert mit hochdimensionalen Messdaten (Größenordnung 103 Wellenlängen bei der NIR) begünstigt der beschriebene Engpass (Größenordnung 102 Datensätze) eine Überanpassung von Modellparametern an Trainingsdaten. Wesentliches Ziel maschinellen Lernens ist die Generalisierbarkeit trainierter Modelle auf neue und ungesehene Daten.
Um der Überanpassung entgegenzuwirken, kommen verschiedene Techniken in Frage. Der LASSO (engl. Least Absolute Shrinkage and Selection Operator) Ansatz begründet eine Variante generischer linearer Regression, in der hochdimensionale Eingangsdaten auf wenige (hier Größenordnung 101) relevante Merkmale reduziert werden. So konnten im Falle der NIR-Spektroskopie vier für die Vorhersage von Mischungsverhältnissen besonders relevante Teilspektren identifiziert werden. Im Falle der niedrigdimensionalen DEA-Daten (Eingangsparameter Temperatur und Radius) lieferten künstliche neuronale Netze gleichfalls vielversprechende Ergebnisse.
So lassen sich mit Ansätzen des Maschinellen Lernens auch sehr komplexe Zusammenhänge zwischen den Messwerten unterschiedlicher Sensorsysteme und dem Mischungsverhältnis von 2K-Epoxidharzen bestimmen und ein verbessertes Verständnis der Einflussfaktoren erzielen.