Die effiziente Nutzung von Energie war noch nie so wichtig, wie in der heutigen Zeit. In der Industrie nimmt die Prozesswärme einen großen Anteil des Energieverbrauches ein, den Industrieanlagen benötigen, um Güter aller Art zu fertigen. Die Frage „Wie können wir energieeffizienter produzieren?“ kann aber erst beantwortet werden, wenn geklärt ist, was aktuelle Prozesse und beteiligte Aggregate an Energie verbrauchen. Gerade bei komplexen Großanlagen, wie z.B. dem Forschungsautoklav im CFK Nord in Stade, ist die Antwort nicht einfach. Transparenz schaffen Energiemonitoringsysteme: sie machen nicht nur Energieverbräuche sichtbar, sondern ordnen diese einzelnen Verbrauchern zu.
Der Tatort – Energieintensive Aushärtungs- und Konsolidierungsprozesse im Autoklav
Hochleistungsstrukturbauteile aus duroplastischen und thermoplastischen Faserverbundwerkstoffen werden unter Druck und Hitze in einem Autoklav hergestellt, um die notwendigen Bauteileigenschaften zu erzielen. Das können relative Drücke bis zu 10 bar und Temperaturen bis zu 180°C bei Duroplasten bzw. 420°C bei Thermoplasten sein. Oft wird der Druck mit einem Inertgas, wie z.B. Stickstoff, erzeugt, um keine Brände während der Aufheizung entstehen zu lassen. Die Prozessführung – der Wechsel von Aufheiz-, Haltephase zur gewünschten Zieltemperatur und abschließender Abkühlphase – wird sehr individuell gestaltet. Ist die Abkühltemperatur erreicht, wird der Druck abgebaut und das Inertgas an die Umgebung abgeblasen. Im Autoklavprozess entsteht während der Aushärtung ein konsolidiertes Bauteil mit einem Faservolumengehalt von etwa 60 % und einem sehr geringen Luftporengehalt.
Welche Hauptverbraucher sind für diesen energieintensiven Fertigungsprozess verantwortlich? Verdächtigt wird ein Verbraucher, der in vielen thermischen Maschinen und Anlagen auf der Anklagebank sitzt: die elektrische Widerstandheizung. Ein Einzeltäter? Untersuchungen zeigen, dass das nicht immer der Fall sein muss.
Die Beweisaufnahme – Erfassung verbraucherorientierter Energiedaten
Für die Beweisaufnahme wird das Messystem eines weltbekannten deutschen Industrieunternehmens mit den Schwerpunkten Automatisierung und Digitalisierung eingesetzt. Die Basis bilden kommunikationsfähige Messmodule. Sie werden in die Schaltschränke der einzelnen Verbraucher eingebaut und können die erfassten Energiewerte in Echtzeit an ein übergeordnetes Monitoringsystem übermitteln. Im Falle des Stader Forschungsautoklav werden sechs dieser Messmodule in unterschiedlichen Schaltschränken installiert. Sie messen neben der elektrischen Widerstandsheizung (Leistungsschränke, Steuerschrank und Ventilatoren) auch den Energieverbrauch der beiden Ventilatoren, des Steuerschaltschranks und der Inertgas-Erzeugung.
Das Untersuchungsergebnis – Hauptverbraucher identifiziert
Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme wird das Energiemonitoringsystem nun im NBank-Projekt LEITWERK (Duroplast-Aushärtung bei 180°C) und in diversen EU-Projekten (Thermoplast-Konsolidierung bei 420°C) eingesetzt. Im Falle des Aushärtungsprozesses für ein Duromerbauteil fällt das Ergebnis überraschend aus: neben dem Verdächtigen gerät ein weiterer Teilprozess in den Fokus und wird als Hauptverbraucher identifiziert: Es ist die Erzeugung des Inertgases, welches für den Druckaufbau im Autoklav eingesetzt wird. Die Inertgas-Erzeugung weist prozentual einen der elektrischen Widerstandsheizung vergleichbaren Energieverbrauch auf. Die Ventilatoren werden als Nebenverbraucher identifiziert. Der Steuerschrank als Verbraucher ist kaum bemerkbar.
Im Falle des Konsolidierungsprozesses (Thermoplast, 7 bar, 385°C) ist der Energieverbrauch der elektrischen Widerstandheizung allerdings dominant; alle anderen Verbraucher sind diesem nachgeordnet. In einer Zahl zusammengefasst sind das 81% des Gesamtenergieverbrauches. Diese ersten Ergebnisse zeigen, wo Lösungsansätze für Einsparpotentiale bestehen. Die Energieeffizienz kann gesteigert werden durch Einsatz von beheizbaren Werkzeugen im Autoklav zur Reduzierung des Energieverbrauches für den Aufheizvorgang von Formwerkzeugen,
- Sensorsystemen zur Verkürzung der Prozesszeit,
- alternativen Fluidsystemen mit energieeffizienter Generierung,
- Zwischenspeichern zur Wiederverwendung der Prozesswärme,
- erneuerbaren Energien für Nebenverbraucher.
Erste Abschätzungen lassen eine Reduktion des Energieverbrauchs beim Autoklavprozess um 50 % erwarten.