Zukünftige Strukturkonzepte für die Luft- und Raumfahrt sollen eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber dem heutigen Stand der Technik aufweisen. Für kombinierte thermomechanische Belastungen sind viele der bisher getroffenen Annahmen zu konservativ, um die strukturelle Leistungsfähigkeit gänzlich auszuschöpfen. Extreme Belastungen ergeben sich, wenn Temperaturänderungen Verformungen erzeugen und gleichzeitig auch hohe mechanische Lasten wirken. Ein Beispiel dafür stellen wiederkehrende Raketenbooster dar. Im Inneren wird flüssiger Wasserstoff als Treibstoff gelagert, während die Außenhülle durch die Reibungshitze erwärmt wird. Einen solchen Zustand experimentell darzustellen, ist aufgrund der extremen Randbedingungen und Temperatureinflüsse extrem herausfordernd. Diesen Weg zu gehen, ist aber notwendig, um die Modelle zur Bewertung und Auslegung solcher Strukturen zu validieren.
Extreme Testbedingungen in der THERMEX-Anlage
Die thermomechanische Versuchsanlage THERMEX ermöglicht experimentelle Untersuchungen an komplexen Strukturen unter extremen kombinierten Lastbedingungen. Dies beinhaltet die gezielte Wahl thermischer Lasten in Analogie zur Flugbelastung. Beispielhaft ist eine Strukturseite mit flüssigem Stickstoff (kurz „LN2”, -196°C) kryogen beansprucht, während auf der anderen Strukturseite eine Hochtemperaturbelastung von bis zu 1000 °C aufgebracht ist.
Ein weiterer Aspekt beinhaltet die Einleitung mechanischer Axiallasten von bis zu 400 kN, um zum Beispiel aerodynamische Lasten zu simulieren. Die Belastungen können gezielt gesteuert werden. Sie bilden damit die Basis zur Analyse von Strukturkonzepten. Die hohe Anzahl an Lastvariationen und die Möglichkeit, verschiedenste Strukturkonzepte zu untersuchen, fördert die Entwicklung von Analysemethoden für diese extremen Lastbedingungen und trägt zum Entwurf effizienter Strukturen bei.
Herausforderungen für den Multimaterialverbund
Bisherige Untersuchungen adressierten meist die Tragfähigkeit von versteiften Kohlefaserverbundstrukturen im oberen thermalen Grenzbereich. Zudem führen die oben beschriebenen Bedingungen zu hohen Temperaturgradienten. Für eine Verbundstruktur aus verschiedenen Materialien sind die thermomechanischen Lasten sehr anspruchsvoll. Die Materialien haben unterschiedliche Temperaturabhängigkeiten, verschiedene thermische Grenzbereiche und stark abweichendes thermisches Ausdehnungsverhalten. Die hohen Temperaturgradienten verursachen dadurch hohe Dehnungsgradienten über der Strukturdicke. Die resultierenden Spannungen können kritisch sein und Schädigungen im Bauteil sowie in den Schichtanbindungen verursachen. Derartige Strukturversuche dienen der Untersuchung der Anwendungsgrenze der einzelnen Materialien, aber auch ihres kombinierten Verhaltens.
In Zusammenarbeit mit DLR-Kolleginnen und -Kollegen sind im DLR-Projekt TRANSIENT zwei unterschiedliche Tank-Konzepte (aus Aluminium bzw. Kohlefaserverbundmaterial) für Raketenbooster mit entsprechenden Thermalschutzsystemen (TPS) untersucht worden. Der Aufbau des TPS besteht aus einem Polymerschaum als Isolation im Bereich negativer Temperaturen, einem kissenartigen Hochtemperaturschutz und aus keramischen Faserverbundplatten als Außenhaut. Zwischen diesen Schichten werden elektrische und optische Sensoren genutzt, um das thermische und mechanische Strukturverhalten zu bestimmen. Dabei stellen die unterschiedlichen Eigenschaften der Materialschichten und die Temperaturprofile verschiedene Herausforderungen an die Messmethodik dar. Die Experimente helfen zugleich auch, geeignete Sensorik für den realen Einsatz zu erproben. Die Teststrukturen stellen eine Vereinfachung der Anwendung dar. Dadurch wird der Entwicklungsprozess derartiger Strukturen beschleunigt und die Kosten durch geringeren Testaufwand reduziert.
Ausblick
Die gewonnenen Daten sind vielfältig hilfreich. Sie dienen dazu, um die untersuchten Strukturen und ihre Phänomenologie besser zu verstehen und tragen zur stetigen Weiterentwicklung von Versuchsmethodik und Analysefähigkeiten bei.