Visionsprojekt des Instituts gewinnt den DLR-Wettbewerb der Visionen
Emissionsfreies Fliegen, Fortbewegung ohne Abgase – geht das? Durchaus, wenn der Antrieb beispielsweise mit Licht funktioniert oder das elektrisch betriebene Flugzeug eine optische Energiezufuhr während des Fluges ermöglicht. Mit dieser Vision hat das Institut den DLR-Wettbewerb der Visionen 2021/22 zusammen mit 5 weiteren Preisträgern gewonnen. In einem zweijährigen Projekt sollen nun neue Technologien für das emissionsfreie elektrische Fliegen erforscht und vorangetrieben werden.
Die grundlegenden Ideen zu dieser Vision erfolgten bereits im Jahr 2008, als eine Gruppe von Wissenschaftlern um die beiden Professoren Jens Günster (damals TU Clausthal, jetzt BAM in Berlin) und Jörg Melcher das photronische® Materialsystem erfanden. Mit diesem Auftakt der Photronik®, das ist die Adaptronik mit Photonen, gründeten das DLR, die BAM und die TU Clausthal den Campus Funktionswerkstoffe und -strukturen. Dort stehen in gemeinsamen Forschungsprojekten und -programmen zukunftsträchtige materialwissenschaftliche Themen im Fokus: selbstorganisierende Leichtbaustrukturen, bleifreie Piezokeramiken, additive Fertigungstechniken mit Funktionswerkstoffen und so auch die Wechselwirkung von (Laser-)Licht und Materie. Günster und Melcher erfanden eine Laserturbine, also eine Wärmekraftmaschine, die aus Lichtenergie mechanische Energie erzeugen kann. Dazu trifft ein Laserstrahl auf einen Lichtabsorber, der das Arbeitsmedium der Turbine erwärmt und dadurch antreibt. Wichtig bei diesem Verfahren sind gleich zwei Aspekte, dass der Lichtabsorber an den Laser angepasst und dass das Arbeitsmedium für den Laserstrahl transparent ist. Als besonders vorteilhaft an dieser Erfindung erweist sich, dass auch rein mechanische Vorrichtungen angetrieben werden können und sich die Lichtenergie sehr konzentriert zuführen lässt. Derartige Wärmekraftmaschinen besitzen daher eine sehr hohe Leistungsdichte.
Die visionäre Übertragung dieser Technologien auf Flugzeuge führt umgehend zu der Vorstellung, dass optomechanische Antriebe ihre Energie sowohl aus bodengebundenen als auch aus bordintegrierten Energiequellen schöpfen können. Bodengebunden erfolgt der Energietransfer per Laserstrahl und bordintegriert mit spezialisierten Lasersystemen. Flugzeuge mit optisch unterstützten Antrieben wären daher wesentlich leichter, zumal Treibstofftanks nicht mehr erforderlich sind. Sie wären auch leiser und kleiner als ihre Vorgänger. Zudem kann eine Aufladung auch während des Starts oder Flugs erfolgen. Auch besteht die Vorstellung, dass sich die Reichweite derartiger Flugzeuge deutlich vergrößern lässt. Sicherlich bilden Regionalflugzeuge die erste Anwendergruppe, aber auch eine Flottendurchdringung auf Schmalrumpf- und Großraum-Flugzeuge ist durchaus vorstellbar. Ein konsequenter Systemleichtbau ist dafür allerdings eine unabdingbare Voraussetzung.
Mit den bisherigen Ideen allein ist es aber nicht getan: spezielle Funktionsstrukturen, Materialsysteme und Fertigungstechnologien sind erforderlich, um optimale Leistungsübertragungen zu erwirken. Die Realisierung der Vision „Fliegen mit Licht“ ist nicht trivial. Ein interdisziplinäres Team aus Physikern, Materialwissenschaftlern und Verfahrenstechnikern fertigt aktuell höchstkomplexe Bauteile auf modifizierten 3D-Druckern und identifiziert Multimaterialsysteme, die für eine Photoaktivierung geeignet sind. Mit Unterstützung unseres 3D-Druck-Labors AddCompSTM und des Campus Funktionswerkstoffe und -strukturen erfolgen nun die Erforschung optomechanischer Wandler und Speicher in einem zweijährigen Projekt. Dazu gehören:
- die Synthese optomechanischer Funktionswerkstoffe,
- das Design optomechanischer Energiewandler und -speicher und
- die Realisierung additiv gefertigter Funktionsmuster.
In erster Linie unterstützt unsere Vision die Leitkonzepte der DLR-Luftfahrtforschung, insbesondere die des elektrischen Fliegens und die des urbanen und leistungsfähigen Luftverkehrs. Mit ihrem disruptiven Ansatz fokussiert sie aber auch auf konkrete Zielprodukte der Verkehrs- und Energietechnik. Interne Synergiepotenziale sind daher offenkundig: Fliegen mit Licht unterstützt ein nachhaltiges Energiemanagement und eine emissionsarme Mobilität. Die Umsetzung dieser Vision positioniert das DLR als Innovationstreiber für nachhaltiges und ökologisches Wirtschaften über Deutschland hinaus.