An einem kalten, verschneiten Wintertag in ein Flugzeug zu steigen und mit diesem bei widrigen Bedingungen ans Ziel zu kommen, ist nichts Außergewöhnliches. Vor dem Start wird das Flugzeug enteist und während des Fluges sorgen Anti-Icing-Systeme im Flugzeug dafür, dass sich kein Eis bilden kann. Enteisungssysteme für Flugzeuge können jedoch nicht einfach auf Hubschrauber übertragen werden, insbesondere nicht auf kleine und mittelschwere Modelle. Für einen sicheren Flug benötigt ein Hubschrauber jedoch ebenfalls Eisfreiheit. Insbesondere für Rettungsmissionen ist die Vereisung sehr herausfordernd, da Hubschrauber oft das einzige Transportmittel darstellen, welches für die Mission geeignet ist. Die Untersuchung und Entwicklung innovativer Enteisungstechnologien für kleine und mittelschwere Helikopter wurde im Projekt InTEnt-H durch das BMWK gefördert. Hierfür ist im bereits bestehenden Rotorturm am Standort Braunschweig eine Vereisungsversuchsanlage aufgebaut worden. Durch die intensive Zusammenarbeit der DLR-Institute Flugsystemtechnik und Systemleichtbau konnte eine in Europa einzigartige Anlage für den Test von Anti- und De-Icing-Systemen unter extremen atmosphärischen Bedingungen und Zentrifugallasteinwirkung geschaffen werden.
Eine neue Versuchsanlage steht bereit
Der Rotorturm des DLR dient aktuell als Testanlage für verschiedene Rotorblattsysteme. Ein Telemetriesystem, sowie ein Schleifring übertragen eine Vielzahl an Messsignalen an das Datenerfassungssystem. Zusätzlich ist es möglich, dem Rotorsystem eine Hochvoltversorgung, sowie eine Hydraulik- und Pneumatikversorgung bereitzustellen. Mit dem Einbau einer Vereisungsanlage ist der Versuchsstand nun um die Möglichkeit erweitert worden, verschiedene atmosphärische Zustände zu simulieren. Die Kühlkammer weist einen Durchmesser von 5,25 m bei einer Höhe von 6 m auf. Die im Außenbereich stehende CO2-Kälteanlage sorgt mit einer Kühlleistung von 50 kW dafür, die Temperatur innerhalb der Kühlkammer auf bis zu -30 °C absenken zu können. Unterhalb der Decke ist ein ringförmiger Rahmen montiert, an welchem 15 Einspritzdüsen angebracht sind. Dieses Düsensystem ermöglicht das Einsprühen feiner Wassertröpfchen, welche sich abhängig von der Temperatur in der Kammer am drehenden Rotor als Eis absetzen.
Das erste Eis – und wie es wieder verschwindet
Die erfolgreiche Inbetriebnahme der neuen Vereisungsanlage konnte bereits an einem 2-Blatt-Rotor demonstriert werden. Dieser besteht aus einem Rotorblatt mit einer permanent aktivierten Heizfolie als Anti-Icing-System, sowie einem Rotorblatt mit einer temporär einschaltbaren, flüssigkeitsdurchströmten Vorderkante als De-Icing-System. Zunächst hatten erste Versuche die systematische Untersuchung von Eisansatz an der Blattvorderkante zum Ziel, um im Anschluss Erfahrungen mit Heiz-Systemen unter realen Vereisungsbedingungen zu sammeln. Im Versuch hält dafür das Anti-Icing-System durch Aufheizen der Folie ein Rotorblatt dauerhaft eisfrei, während das De-Icing-System des anderen Blattes ausgeschaltet bleibt. Durch den daraus entstehenden einseitigen Eisansatz am Blatt steigt die Unwucht des Rotorsystems, welche jederzeit überwacht wird. Mit dem Aktivieren des De-Icing-Systems, erhöht sich die Temperatur in der Blattvorderkante und das entstandene Eis löst sich innerhalb von Sekunden von der Oberfläche. Die Fliehkraft im rotierenden System ist dabei von entscheidendem Vorteil, denn bereits ein dünner Flüssigkeitsfilm auf der Oberfläche des Rotorblattes reicht aus, um das komplette Eis zu entfernen.
Wie geht es weiter?
In zukünftigen Projekten soll insbesondere die Charakterisierung der Vereisungsparameter innerhalb der Anlage im Vordergrund stehen. Zulassungsvorschriften der Luftfahrtbehörden geben Vorgaben über den atmosphärischen Zustand unter Vereisungsbedingungen, die es im Rotorturm nachzubilden gilt. Der so entstandene Prüfstand soll es ermöglichen, zukünftig entwickelte Enteisungsverfahren, als auch Eiserkennungsverfahren an verschiedenen Technologiedemonstratoren unter Fliehkrafteinfluss im drehenden oder nichtdrehenden System zu untersuchen und zu optimieren.