Da können die Flugzeugkonstrukteure nur staunen: Vögel verändern die Form ihrer Flügel während des Fluges, sind dadurch wendiger, an wechselnde Winde anpassungsfähig und gemessen an ihrer Größe extrem energieeffizient. Dagegen weisen die starren Schaufeln der Flugzeugtriebwerke während des gesamten Reiseflugs das gleiche Profil auf. Gängige Triebwerke bestehen aus einer Vielzahl von Schaufeln, die wie kleine Flügel wirken und dazu beitragen, die einzelnen Triebwerksstufen zu drehen und somit das Flugzeug anzutreiben. Dabei sind auch Flugzeuge und deren Triebwerke während ihres Einsatzes veränderlichen Umweltbedingungen ausgesetzt. Sie besitzen in den meisten Flugphasen daher nicht die ideale Form und erreichen dadurch nicht ihre beste Performance. Hinsichtlich der Energieeffizienz übernehmen Triebwerke eine entscheidende Rolle. Triebwerksschaufeln, die sich an unterschiedliche Flugphasen anpassen können, verbessern die Gesamtleistung von Triebwerk und Flugzeug deutlich. Sie senken den Kraftstoffverbrauch, die Schadstoffemissionen und schonen so die Umwelt. Bei den beschaufelten Triebwerksstufen hat die Verdichterstufe den größten Einfluss auf die Energieeffizienz. Dies liegt daran, dass der Verdichter für die Erhöhung des Drucks und der Temperatur des einströmenden Luftstroms verantwortlich ist.
Triebwerke und Morphing
Er muss dafür sorgen, dass der Luftstrom ideale Bedingungen für eine optimale Verbrennung vorfindet. Aktuell sind die Verdichterschaufeln geometrisch so ausgelegt, dass sie auf der Reiseflughöhe oder beim höchsten Punkt des Steigflugs ihren maximalen Wirkungsgrad haben. Diese Auslegungsgeometrie heißt die Designgeometrie. Für den Betrieb unter anderen Flugbedingungen, sogenannte Off-Design-Bedingungen, erfolgt bislang eine gewisse Anpassung durch eine Variation der Drehzahl. Diese Anpassung ist aber nicht ausreichend, um Verluste zu vermeiden. Doch durch den Einsatz aktiver Materialien könnten Verdichterschaufeln auch unter Off-Design-Bedingungen eine deutlich bessere Performance liefern. Piezokeramische Aktuatoren oder auch Stellelemente aus Formgedächtnislegierungen sind in der Lage, die Form der Verdichterschaufeln während des Flugs zu verändern. Das Potenzial solcher Morphing-Verdichterschaufeln haben das DLR-Institut für Leichtbausysteme und die TU Braunschweig im Rahmen des Exzellenzclusters Sustainable and Energy-Efficient Aviation (SE²A) gemeinsam untersucht.
Die Wissenschaft dahinter
Zu diesem Zweck wurde eine Methode zur Umwandlung von Standardschaufelarchitekturen in morphende Schaufeln entwickelt. Das Verfahren nimmt eine aerodynamische Schaufelgeometrie als Referenz, die nahezu beliebig sein kann, aber dem Design der gewählten Schaufel im Auslegungspunkt entsprechen sollte, und wandelt sie in eine Morphing-Schaufel um. Dazu werden lasttragende Aktuatoren, die aus Fasern oder dünnen Platten bestehen, in die Schaufeloberflächen integriert. Wenn sich die multifunktionalen Aktuatoren ausdehnen oder kontrahieren, verändern sie die Form der Schaufel in geeigneter Weise. Durch geschickte Ausnutzung der Richtungseigenschaften dieser Aktuatoren ist es möglich, sie so in die Schaufeln zu integrieren, dass immer eine bestimmte aerodynamische Form erreicht wird. Auch die Unterschiedlichkeit der Schaufelformen wirkt sich auf die Luftströmung durch die Verdichterstufe aus, wobei z. B. unterschiedliche Anstell- und Wölbungswinkel der Schaufeln zu unterschiedlichen Druckverhältnissen und Massenströmen führen – beide stehen in engem Zusammenhang mit der Leistung der Stufe und somit des Triebwerks. Ein weiteres Ergebnis dieses Projekts ist die Erkenntnis, dass es auch in der Präsenz sehr starker Fliehkräfte möglich ist, das Leistungsverhalten der Stufe gezielt zu variieren. Die Weiterentwicklung aktiver Technologien und ihren Einsatz bei zukünftigen Triebwerksschaufeln besitzen das Potenzial, die Energieeffizienz eines Triebwerks zu steigern und damit einen großen Schritt weiter in Richtung einer grüneren und umweltfreundlicheren Luftfahrt zu ermöglichen.