Im Projekt FlappyBot wird der erste Versuchsträger einer mobilen Faserlegeeinheit entwickelt, die sich selbstständig auf einem Formwerkzeug und bereits abgelegten Faserlagen bewegt. Ziel hierbei ist die Nutzung der Vorteile mobiler Robotik für die Anwendung im automatisierten Fibre-Placement (AFP): Flexibilität, Skalierbarkeit und Redundanz ohne tonnenschwere, fest installierte Anlagentechnik. Ähnlich wie Rasenmähroboter werden mehrere kabellose Einheiten zeitgleich Bahn für Bahn mit Fasermaterial das Laminat aufbauen. Wissenschaftlich spannend ist die Frage der Zulässigkeit. Noch nie zuvor ist ein Roboter mit seinem gesamten Gewicht auf einem unvollständig ausgehärteten Laminat gefahren. Es wird untersucht, wie das Laminat durch die Fahrspuren beeinflusst wird und welchen Einfluss das Rückstellverhalten über die Zeit und während des Aushärtens hat. Erste Versuche deuten bereits auf ein praktikables Prozessfenster hin.
Wird die Faser verschoben?
Mit einem selbstfahrenden Roboter während der Fertigung wiederholt auf einem Hochleistungsbauteil umherzufahren ist zugegebenermaßen nicht die naheliegendste Option. Die Materialdicke von Halbzeugen variiert in der Praxis oft nur um wenige hundertstel Millimeter. Derartige Genauigkeiten vermitteln schon einen Eindruck, welche Entwicklungsarbeit in den filigranen Halbzeugen steckt. Die Vorteile von mobiler Robotik könnten Fibreplacement revolutionieren. Erste Ersatzversuche verliefen unerwartet vielversprechend.
Über die Zulässigkeit der Verwendung mobiler Fertigungsroboter in der Anwendung AFP entscheidet die Frage, ob eine Beschädigung auftritt oder nicht. Das ist zunächst unabhängig von späteren anwenderspezifischen Qualifizierungen. Tritt eine Beschädigung des Halbzeugs im Ablegeprozess auf, so bedeutet dies das Aus für dieses Fertigungskonzept. Spannend wird es bei der Definition einer Beschädigung. Generell gilt jede nachweisbare Verschlechterung von Eigenschaften des Halbzeugs als Beschädigung, die die strukturelle Leistungsfähigkeit im späteren Bauteil senkt. Beim Überfahren des unvollständig ausgehärteten Laminates können zwei Faserverbundanteile verändert werden: die Faser und die Matrix. Die Aufgabe der Faser im Faserverbund ist es, die Last im Bauteil zu tragen. Demnach ist ein Faserbruch eine unzulässige Veränderung. Im Zusammenhang mit Fahrspuren der Räder einer mobilen Legeeinheit auf dem Laminat ist jedoch auch die Lage der Faser im Laminat relevant. Werden Fasern durch lokalen Druck auf das Laminat oder das Drehmoment der Räder verschoben, so weicht die Faserorientierung vom lastoptimierten Design ab. Auf die Matrix wirkt ebenfalls eine inhomogene Druckverteilung unterhalb des Rades ein. Wie das viskoelastische Verhalten der Fasern und der Matrix im unausgehärteten Zustand unter lokaler Druckbeanspruchung ist, sollen die Versuche am Prüfstand zeigen.
Viskoelastizität: das Verständnis von elastischem und viskosem Verhalten
Auf einem Prüfstand wird das Überfahren eines repräsentativen Laminates durch einen angetriebenen Wälzkörper simuliert. Verschiedene Beschichtungen und Radgrößen können getestet werden. Der Prüfstand ist konstruiert, um entstehende Fahrspuren im Laminat möglichst realistisch reproduzieren zu können. Die Verformung in der Fahrspur wird dabei gemessen. Was auffällt, ist die Rückstellwirkung über die Zeit. Nach 30 Minuten ist selbst in einem 25 mm dicken Laminat mit bloßem Auge kaum noch eine Fahrspur zu erkennen. Die veränderte Viskosität während des Aushärtungsvorgangs verursacht eine zusätzliche Glättung. Parallel wird ein viskoelastisches Ersatzmodell aus Federn und Dämpfern nach dem Vorbild von Burgers simuliert. Was bisher nur zur Berechnung des Materialverhaltens von Asphalt und Bitumen gedacht war, funktioniert auch in diesem Kontext: Im heterogenen Faserverbund verhalten sich die Fasern elastisch und die Matrix viskos. Die Versuche und die begleitende Simulation sollen ein detailliertes Verständnis des Materialverhaltens beim Überfahren liefern, so dass die Roboter für ein zulässiges Prozessfenster ausgelegt werden können. Mechanische Tests und Schichtscans begleiten die Versuche.