Die erste Wahl für lasttragende Strukturen moderner Verkehrsflugzeuge sind hochorthotrope CFK-Laminate. Das sind dünn geschichtete Strukturen mit ausgeprägten Vorzugsrichtungen. Mit einer innovativen Ergänzung zur klassischen Laminattheorie lässt sich die Leistungsfähigkeit der Strukturen zukünftig noch weiter steigern: Ungewollte Formabweichungen werden bei der Fertigung vermieden und Kosten und Ausschuss in den Montageprozessen reduziert. Neue Untersuchungen verfolgen das Ziel, die durch die starke Orthotropie bedingten Effekte materialspezifisch zu quantifizieren, um sie im Strukturauslegungsprozess adäquat berücksichtigen zu können.
Hochorthotrope Laminate nehmen zu
Flugzeugstrukturen neuesten Generation nutzen gezielt Laminate mit richtungsabhängigen Eigenschaften. Man spricht von orthotropen Laminaten. Diese weisen mechanische Vorzugsrichtungen auf, die Konstrukteure idealerweise entlang der größten strukturellen Belastung ausrichten. Das spart Material und somit Gewicht.
Der Orthotropiegrad eines Laminats beschreibt das Verhältnis der Elastizitätsmoduln in Längs- zu Querrichtung. Die Ausprägung einer Vorzugsrichtung im Laminat, z. B. durch Anpassung der Lagenorientierungen, beeinflusst die Wärmeausdehnungseigenschaften deutlich.
Die Orthotropiegrade und deren Verteilungen für Spantstrukturen älteren und neusten Generation sind den Bildern zu entnehmen. Die Darstellungen zeigen, dass zunehmend Laminate mit erhöhtem Orthotropiegrad eingesetzt werden, um die Leistungsfähigkeit der Strukturen noch weiter zu steigern. Die Grafik zeigt auch, dass eine erhöhte Orthotropie gleichzeitig das Wärmeausdehnungsverhalten der CFK-Laminate stark beeinflusst. Dies generiert potenziell ungewollte Formabweichungen von gefertigten CFK-Strukturen und stellt Montageprozesse vor Herausforderungen.
Konsequenz: Toleranzproblematik
Neueste Messungen von Wärmedehnungen hochorthotroper Laminate zeigen, dass die heute zur Laminatauslegung eingesetzte klassische Laminattheorie das Ausdehnungsverhalten für diese Laminate nicht zufriedenstellend berechnet. Die zu erwartenden Wärmedehnungen werden unterschätzt (siehe Grafik).
Die Herstellung von CFK-Flugzeugstrukturen findet im Autoklaven bei 180 °C statt. Unterschätztes Wärmedehnverhalten bedeutet eine Unterschätzung des Bauteilverzugs. Im Vorfeld berechnete, werkzeugseitige Kompensationsmaßnahmen erzielen nicht vollständig den gewünschten Erfolg.
Die aktuellen Untersuchungen des Autors verfolgen das Ziel, das besondere Wärmedehnverhalten hochorthotroper CFK-Laminate zu erklären und materialspezifisch zu quantifizieren. Daraus sollen Handlungsempfehlungen für Konstrukteure entstehen, die helfen sollen, ungewollte Formabweichungen zu vermeiden und den Einfluss der Orthotropie frühzeitig adäquat zu berücksichtigen.
Orthotropiegrad-Verteilungen älterer (links) und neuer (rechts) Flugzeugspanten